Strafcolonien

[311] Strafcolonien sind Niederlassungen von Sträflingen in Ländern, die vom Mutterlande entfernt liegen, mit dem Zwecke, dieselben urbar zu machen und zu bevölkern, und verbrecherische und moralisch verdorbene Menschen wieder in nützliche Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft umzuwandeln. Sie sind durchaus eine Erscheinung der neuern Zeit. Der Gedanke zu denselben wurde von mehren europ. Staaten gefaßt, als die zahlreichen Ländereien in Amerika ihnen Aussicht und Gelegenheit boten, die nichtsnutzige Bevölkerung im Mutterlande dort anzusiedeln und später davon noch Vortheil zu gewinnen. So wurden in England schon von Jakob I. an jährlich mehre Hunderte von Verbrechern jeder Art nach Amerika übergeschifft, und ein Gesetz von 1718 führte die noch jetzt übliche Transportation auf Jahre, z.B. 7 Jahre, 14 Jahre, und auf Lebenszeit ein. Während dieser Zeit mußten die Verbrecher bei den schon vorhandenen Einwohnern Dienste thun, und nach Ablauf derselben wurden sie frei oder durften ins Vaterland zurückkehren. Mit der Losreißung der freien Staaten Nordamerikas von England wählte nun dieses auf den Vorschlag des berühmten Cook das durch ihn näher bekannt gewordene Australien zum neuen Ansiedelungspunkte für Verbrecher. Im J. 1787 ging der erste Transport von 565 männlichen und 192 weiblichen Verbrechern dahin, und so entstand die Strafcolonie Neusüdwales oder Botanybai auf Neuholland, die gegen 40,000 Menschen zählt, von denen ungefähr der dritte Theil aus England verbannte Verbrecher sind, die sich jedoch zum Theil im Stande freier Ansiedler befinden. Die Colonie gewährt dem Mutterlande bedeutende Vortheile und gewinnt immer größere Ausdehnung. Ebenso wird von Rußland Sibirien als eine Art Strafcolonie benutzt. Was die Zweckmäßigkeit der Strafcolonien betrifft, so spricht die Erfahrung dafür, daß durch sie eine große Anzahl von Menschen gebessert wird, da es auch der Ruchloseste nicht unversucht lassen kann, das Lebensglück der Freiheit, des Besitzes und der bürgerlichen Ehre sich wieder zu erringen, das ihm bei guter Aufführung in die Hände gegeben ist. Es sind aber die Strafcolonien als Straf- und Besserungsanstalten nur für diejenigen Staaten vortheilhaft anzulegen, welche überseeische Besitzungen haben, da sie außerdem zu kostspielig sein würden; doch hat auch Preußen eine zu diesem Zweck bestimmte Insel im ind. Archipelagus erworben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 311.
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