Tausend und Eine Nacht

[377] Tausend und Eine Nacht ist der Titel einer in arab. Sprache geschriebenen, durch vielfache Übersetzungen jetzt dem ganzen gebildeten Europa bekannten Sammlung morgenländischer Märchen und Erzählungen, welche auf die einfachste Art zu einem Ganzen verbunden sind. Es wird nämlich erzählt, der Sultan Schachriar habe, entrüstet über die Untreue seiner Gemahlin, befohlen, daß ferner jede seiner noch von ihm zu wählenden Gemahlinnen am Tage nach der Hochzeit hingerichtet werde. Dieses geschieht, bis er die kluge Scheherasade, die Tochter des Veziers, heirathet. Diese weiß ihm so reizende Erzählungen vorzutragen, daß Schachriar ihre Hinrichtung von einem Tage bis zum andern verschiebt, sodaß endlich Tausend und Eine Nacht vergangen sind. Scheherasade hat indeß drei Kinder geboren, welche sie jetzt ihrem Gemahl vorstellt, indem sie ihn bittet, sein blutiges Gesetz zurückzunehmen. Dies geschieht, der Sultan umarmt seine Kinder und bedingt sich von seiner Gemahlin nur, daß sie ihn ferner durch gefällige Märchen ergötzen solle. Die Märchen, welche Scheherasade dem Sultan zur Fristung ihres Lebens in Tausend und Einer Nacht erzählt hat, machen den Inhalt des ganzen Werkes aus. Diese Erzählungen sind das gemeinschaftliche Eigenthum des Morgenlandes, vielleicht ist ihr Ursprung uralt. Im Allgemeinen herrscht im Morgenlande die Vorliebe für Erzählungen, mit denen sich die den behaglichen Müßiggang liebenden Orientalen die Zeit verkürzen. So anspruchlos, zum Theil ziemlich inhaltleer die hier gesammelten Märchen auch sind, so haben sie doch einen unnachahmlichen Reiz. Der Wunderglaube des Orients tritt uns in den blendendsten Farben entgegen und wir sehen mit staunenden Blicken das reiche Morgenland mit seinen weisen Greifen, tapfern Männern, reizenden Frauen, mit seiner üppigen Natur, seinen phantastischen Bauwerken, mit seinem Despotismus, seiner erbärmlichen Gerechtigkeitspflege, seinem lügenhaften Priesterthum, kurz mit allen seinen Gliedern vor unsern Augen sich regen. Nachdem zuerst 1704 durch Ant. Galland ein Theil dieser Erzählungen bekannt geworden war, nahmen Gelehrte und Ungelehrte gleich lebhaftes Interesse an diesem Sagenschatz, welcher allmälig durch die Bemühungen sprachkundiger Männer, unter denen besonders die Deutschen Hammer und Habicht sich auszeichneten, ganz zu Tage gefördert und in deutsche Sprache übertragen wurde. Die Uebersetzung von Max. Habicht, von der Hagen und K. Schall, 15 Bdchn. umfassend, erschien Breslau 1825 in zweiter Ausgabe und die neueste Übertragung ist die von Gust. Weil (Pforzheim 1839 fg.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 377.
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