Goethe

[702] Goethe, Joh. Wolfgang von, Deutschlands größter Dichter, geb. 28. Aug. 1749 zu Frankfurt a. M., Sohn des kaiserl. Rats Joh. Kaspar G. (getauft 31. Juli 1710, gest. 25. März 1782; vgl. Ewart, »G.s Vater«, 1899) und der Katharina Elisabeth G., geborene Textor (»Frau Aja«, »Frau Rat«, geb. 19. Febr. 1731, vermählt 20. Aug. 1748, gest. 13. Sept. 1808; ihre Briefe an die Herzogin Anna Amalia hg. 1885 u. 1889, an ihren Sohn, Christiane und August von G., hg. 1889; Briefe hg. von Köster, 1904; vgl. Heinemann, »G.s Mutter«, 6. Aufl. 1900). Herbst 1765-68 auf der Leipziger Universität (»Die Laune des Verliebten«, »Die Mitschuldigen«), 1770 in Straßburg (Einfluß Herders; Liebesverhältnis mit Friederike Brion in Sesenheim; Promotion zum Lizentiaten der Rechte 6. Aug. 1771), 1772 am Reichskammergericht zu Wetzlar (Bekanntschaft mit Charlotte Buff [Werthers Lotte]), seit Herbst 1772 wieder in Frankfurt; 1775 Verhältnis zu Lili Schönemann, Schweizerreise mit den Brüdern Stolberg, Beziehungen zu Lavater, Fritz Jacobi u.a. Mit G.s Ankunft in Weimar (7. Nov. 1775), wohin er einer Einladung des jungen Herzogs Karl August folgte, schloß im wesentlichen seine sentimental-naturalistische Sturm- und Drangperiode ab; Hauptwerke derselben: »Götz« (1773), »Werthers Leiden« (1774) und der größte Teil von »Faust« (erst 1790 als »Fragment« erschienen, vollständig 1808); außerdem: »Clavigo« (1774), »Stella« (1776). »Die Geschwister«, zahlreiche Lieder etc. In Weimar (Freundschaftsverhältnis mit Frau von Stein) trat G. in den Staatsdienst, ward 1776 Geh. Legationsrat, 1779 Geheimrat, 1782 Kammerpräsident und geadelt. Epochemachend war sein Aufenthalt in Italien (Herbst 1786 bis Frühjahr 1788) für die Ausbildung eines klassischen Kunststils: »Egmont«, »Iphigenie«, »Tasso« erhielten hier ihre endgültige Gestalt. Zurückgekehrt, schloß G. Juli 1788 mit Christiane Vulpius (geb. 1. Juni 1765, gest. 6. Juni 1816) den Lebensbund, der erst 19. Okt. 1806 kirchlich geweiht wurde, war 1790 noch einmal in Oberitalien (Venedig), 1791-1817 Leiter des Weimarer Theaters, begleitete 1792 den Herzog auf dem Feldzuge in der Champagne, 1793 bei der Belagerung von Mainz, trat 1794 in ein inniges Freundschaftsverhältnis zu Schiller, aus dem die »Xenien« (1796) und eine neue Blüte von G.s Lyrik (Balladen und Romanzen) hervorgingen. Dieser zweiten, der klassischen oder idealen Schaffensperiode gehören ferner noch an: »Röm. Elegien« (1788), »Reineke Fuchs« (1794), »Wilh. Meisters Lehrjahre« (1795-96). »Hermann und Dorothea« (1797), »Die natürliche Tochter« (1804), »Wahlverwandtschaften« (1809) etc. Nach dem Tode des Großherzogs Karl August (14. Juni 1828) zog sich G. von den Staatsgeschäften zurück und starb 22. März 1832 zu Weimar (beigesetzt im fürstl. Erbbegräbnis). Hauptwerke der dritten und letzten, im wesentlichen dem Typischen und Lehrhaften zugewendeten Periode: die Selbstbiogr. »Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit« (1811-14), »Westöstl. Divan« (1819), »Wilh. Meisters Wanderjahre« (1821), 2. Teil [702] des »Faust« (ausgearbeitet 1824-31). G., als Dichter am größten auf lyrischem Gebiet, war zugleich einer der universellsten Geister, bedeutend als Ästhetiker und Altertumsforscher (Zeitschriften »Propyläen«, 1798-1800, »Kunst und Altertum«, 1816-32), bahnbrechend als Naturforscher (»Metamorphose der Pflanzen«, 1790, »Beiträge zur Optik«, 1791 und 1792, »Farbenlehre«, 1810) sowohl durch seine Entdeckungen (Nachweis des Intermaxillarknochens [Goetheknochen] beim Menschen) als seine erst spät gewürdigte allgemeine Naturansicht.

Ausgaben der Werke: 8 Bde. (Lpz. 1787-90), 13 Bde. (Stuttg. 1806-10), 20 Bde. (ebd. 1815-19), Ausg. letzter Hand mit Nachlaß in 60 Bdn. (ebd. 1827-42). Am vollständigsten bis jetzt die Hempelsche Ausgabe (mit Einleitungen, 36 Bde., Berl. 1867-79); bes. aber die große Ausgabe (mit G.s Briefen und Tagebüchern) in Weimar seit 1887. Seine Jugendwerke in »Der junge G.« (3 Bde., 1887). – Vgl. Hirzel, »Verzeichnis einer Goethe-Bibliothek« (1848, 1862, 1874, 1884). – Umfangreicher Briefwechsel mit Schiller, Frau von Stein, F. H. Jacobi, Merck, Gräfin Stolberg, Knebel, Herzog Karl August, Zelter, Boisserée, Graf Sternberg etc. – Vgl. Strehlke, »G.s Briefe« (chronol. Verzeichnis, 1882-84). »G.s Gespräche« (10 Bde., 1889-97), Eckermann, »Gespräche mit G.« (6. Aufl. 1885), Riemer, »Mitteilungen« (1841), »Unterhaltungen mit dem Kanzler von Müller« (3. Aufl. 1904). – Biogr. von Schäfer (3. Aufl. 1877), Viehoff (5. Aufl. 1878), Düntzer (2 Aufl. 1883), Lewes (engl.; deutsch, 18. Aufl. 1903), Heinemann (3. Aufl. 1903), H. Grimm (7. Aufl. 1902), R. Meyer (3. Aufl. 1905), Haarhaus (1899), Bielschowsky (1904). Vgl. noch »Goethe-Jahrbuch« (seit 1880) etc.

G.s einziger Sohn Aug. von G., geb. 25. Dez. 1789, vermählt seit 1817 mit Ottilie, Freiin von Pogwisch (geb. 31. Okt. 1796, gest. 26. Okt. 1872), starb als weimar. Kammerherr und Geh. Kammerrat 27. Okt. 1830 in Rom. Dessen Kinder: Walther Wolfgang von G., geb. 9. April 1818, widmete sich der Musik, weimar. Kammerherr, gest. 15. April 1885 zu Leipzig. (Vgl. Mejer, 1889). Wolfgang Maximilian von G., geb. 18. Sept. 1820, Jurist, Dichter und philos. Schriftsteller, preuß. Legationsrat und weimar. Kammerherr, gest. 20. Jan. 1883 zu Leipzig; Alma von G., geb. 29. Okt. 1827, gest. 29. Sept. 1844 in Wien. – G.s einzige Schwester Cornelia, geb. 7. Dez. 1750, vermählt 1773 mit Joh. G. Schlosser, gest. 8. Juni 1777. (Vgl. Witkowski, 1902).

Seit 15. April 1885 ist G.s Wohnhaus in Weimar mit seinem gesamten Nachlaß (Kunstsammlungen, Mineralien etc.) Eigentum des weimar. Staates und als Goethe-Nationalmuseum dem Publikum zugänglich.

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 702-703.
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