Hugenotten

[833] Hugenotten (frz. Huguenots, aus Ignots = Eidgenossen), ursprünglich Spottname, dann allgemeine Bezeichnung der franz. Protestanten. Nach dem Beginn der Reformation in Deutschland zeigten sich auch in Frankreich Anhänger derselben, wuchsen, obwohl von Franz I. unterdrückt, bes. seit dem Auftreten Calvins und wurden bald in die Hofparteiungen hineingezogen. Als das Haus Guise gegen die prot. Bourbons (Anton von Navarra, Ludwig I. Condé) unter Franz II. bei Hofe die Oberhand gewann, erlitten die H. schwere Verfolgungen; ein Versuch derselben, 1560 den König und die Guisen bei Amboise gefangen zu nehmen, schlug fehl, und zahlreiche H. starben durch Henkershand. Unter dem unmündigen Karl IX. war die Königin-Mutter Katharina von Medici anfangs genötigt, sich auf die H. zu stützen, und gewährte ihnen nach dem Religionsgespräch zu Poissy (3. Sept. 1561) durch Edikt von St.-Germain (17. Jan. 1562) Gewissensfreiheit und dem Adel auf seinen Gütern freie Religionsübung; doch das Blutbad von Vassy (1. März 1562), welches das Gefolge des Herzogs Franz von Guise bei einem Gottesdienst der H. anstiftete, rief den 1. Hugenottenkrieg hervor, in dem die Protestanten 19. Dez. bei Dreux unterlagen, aber nach der Ermordung des Herzogs von Guise im Frieden zu Amboise (19. März 1563) freie Religionsübung innerhalb gewisser Bezirke zugesichert erhielten. Als durch das Edikt von Roussillon (Aug. 1564) diese Freiheit wieder beschränkt wurde, brach Sept. 1567 der 2. Hugenottenkrieg aus; 2700 Protestanten kämpften bei St.-Denis (10. Nov.) heldenmütig gegen einen siebenmal stärkern Feind, und als Condé sich mit dem Hilfskorps des kurpfälz. Prinzen Johann Kasimir vereinigte und Paris bedrohte, wurde im Frieden zu Longjumeau (27. März 1568) der Vertrag von Amboise wiederhergestellt. Als dennoch die Protestantenverfolgungen fortdauerten, kam es zum 3. Hugenottenkriege, in dem Condé bei Jarnac (13. März 1569) fiel und Coligny, der darauf die Leitung übernahm, bei Moncontour (3. Okt.) geschlagen wurde; trotzdem errangen die H. im Frieden zu St.-Germain-en-Laye (8. Aug. 1570) Religionsfreiheit (außer in Paris) und mehrere sog. Sicherheitsplätze. Die Vermählung Heinrichs von Navarra, des jungen Hauptes der H., mit Margarete, der Schwester des Königs, benutzte der Hof (23./24. Aug. 1572) zur Ermordung der sicher gemachten Protestanten, darunter Coligny (s. Bartholomäusnacht), der eine allgemeine Niedermetzelung derselben in den Provinzen (30.000 in 2 Monaten) folgte. Da erhoben sich die H. aufs neue (4. Hugenottenkrieg) und erhielten im Frieden (24. Juni 1573) freie Religionsübung in ihren Sicherheitsplätzen Montauban, Nìmes und Rochelle, außerdem sog. Gewissensfreiheit. König Heinrich III. begann sogleich nach seiner Thronbesteigung (1574) den Kampf gegen die Protestanten wieder (5. Hugenottenkrieg), mußte ihnen aber, da sie durch ein pfälz. Hilfskorps und den unzufriedenen Herzog von Alençon Unterstützung fanden, im Frieden zu Beaulieu (6. Mai 1576) endlich volle Religionsfreiheit und zahlreiche neue Sicherheitsplätze gewähren. Die Stiftung der Heiligen Ligue (s. Liga) durch die Guisen verursachte 1576 den 6. Hugenottenkrieg und, da der Hof die Verträge wieder verletzte, 1579 den 7. Hugenottenkrieg, der durch den Frieden von Flex (12. Sept. 1580) unter den alten Bedingungen beendigt wurde. Der Tod des Thronerben Alençon und die Aussicht auf die Nachfolge Heinrichs von Navarra führten zur Erneuerung der Ligue, und diese rief den 8. Hugenottenkrieg hervor; doch die steigende Anmaßung der Guisen veranlaßte Heinrich III., diese 1588 zu Blois ermorden zu lassen und sich den Protestanten in die Arme zu werfen. Als er aber mit Heinrich von Navarra vor Paris zog, wurde er 1. Aug. 1589 ermordet. Dieser trat zwar als Heinrich IV. zur kath. Kirche über, sicherte aber durch das Edikt von Nantes (13. April 1598) die Rechte der Protestanten. Nach seinem Tode begannen die Gewalttätigkeiten von neuem. Als unter Ludwig XIII. 1620 in Béarn der Katholizismus gewaltsam wiederhergestellt wurde, erhoben sich die Protestanten unter den Brüdern Herzog von Rohan und Prinz von Soubise und erhielten in der Kapitulation von Montpellier (21. Okt. 1622) das Edikt von Nantes bestätigt. Da der Hof aber die Vertragsbedingungen nicht hielt, begann 1625 der Krieg aufs neue, in dem die Protestanten in Rochelle von den Engländern unterstützt wurden. Nach einjähriger tapferer Verteidigung wurde Rochelle 28. Okt. 1628 von Richelieu zur Unterwerfung gezwungen, und im Vertrag zu Alais 27. Juni 1629 die polit. Selbständigkeit der H. vernichtet. Seit der zweiten Hälfte der Regierung Ludwigs XIV. wurde auch die Kultusfreiheit der Protestanten wieder angetastet, militärisch durchgeführte Verfolgungen (s. Dragonaden) wurden in Szene gesetzt und 23. Okt. 1685 das Edikt von Nantes ganz aufgehoben. Hunderttausende von Protestanten (s. Refugiés) flohen darauf in die Schweiz, die Niederlande, nach England und Deutschland, andere warfen sich in die Cevennen, wo 1702-6 gegen sie ein greuelvoller Krieg (Cevennenkrieg) geführt wurde. Auch im 18. Jahrh. nahmen die Bedrückungen ihren Fortgang. Erst die Aufklärung führte endlich zu größerer Toleranz. Ludwig XVI. gab 1787 in einem Edikt den Protestanten die bürgerlichen Rechte zurück, der Code Napoléon erteilte ihnen [833] gleiche bürgerliche Rechte mit den Katholiken. – Vgl. Soldan, »Geschichte des Protestantismus in Frankreich« (2 Bde., 1855); Polenz, »Geschichte des franz. Calvinismus« (5 Bde., 1857-69); Marcks, »Coligny« (1892); Baird, »The Huguenots« (2 Bde., 1895).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 833-834.
Lizenz:
Faksimiles:
833 | 834
Kategorien: