Bürger, Marie Christiane Elise

[222] Bürger, Marie Christiane Elise, geborne Hahn, ist als Schauspielerin und Schauspieldichterin nicht unrühmlich bekannt. Sie wurde zu Stuttgart den 19. November 1769 geboren, wo ihre Eltern in den angenehmsten Verhältnissen lebten. Das bekannte Gedicht, in welchem sie ihre Liebe zum Dichter Bürger besang, war das erste, welches von ihrem Talente öffentlich zeugte. Es war ursprünglich nur ein Scherz, den eine heitere Gesellschaft, die sie mit ihrer enthusiastischen Liebe aufzog, veranlaßte, und nichts weniger als für den Druck, oder gar für Bürger selbst, bestimmt. Dennoch geschah das, ohne Wissen und Willen der Verfasserin, durch Jemand, der eine Abschrift davon zu erhalten wußte. Der Dichter, der durch den allzufrühen Tod seiner geliebten Gattin, Molly Leonhard, sein ganzes Glück verloren hatte, war außer Stande, sie zu vergessen, aber die Leere, die er nun in seinem häuslichen Kreise so schmerzlich empfand, da er seine Kinder fremder Pflege anvertrauen mußte, die Sehnsucht, jene Freuden des häuslichen Glückes wieder herzustellen; der Drang seines Herzens, sich mit innigem Gefühl an ein weibliches Wesen anzuschließen, und endlich die Beschränktheit seiner Lage ließen in ihm den Entschluß zur Reise kommen, sich wieder zu vermählen. In dieser Stimmung wurde ihm im Jahr 1789 von Stuttgart aus oben benanntes Gedicht zugesendet, worin Elise Hahn, seine nachmalige Gattin, durch den Eindruck, den seine Gedichte auf ihr Herz gemacht hatten, zu inniger Liebe zum Dichter hingerissen, ihm in Ausdrücken, die einen gebildeten Verstand und ein gefühlvolles Herz verriethen, Herz und Hand anbot. Bürger[222] fing nun an, sich nach dem Namen und den Verhältnissen der Verfasserin zu erkundigen, und als verschiedene Nachrichten einliefen, die von der naiven Dichterin ein sehr reizendes Bild entwarfen, schenkte er der Sache eine reifere Erwägung, und gerieth durch ein poetisches Gegencompliment mit Elise in einen Briefwechsel; nach und nach stimmte er den anfänglichen Scherz in Ernst um. Bei einer näheren persönlichen Bekanntschaft schienen beide Theile mit einander zufrieden, und Elise vermählte sich mit Bürger im October 1790. Doch diese Ehe, die zwar allein aus gegenseitiger Neigung geschlossen zu sein schien, trug den Keim des Unglücks für beide in sich. Bürger vermochte nicht den Ansprüchen seiner Gattin auf ein glänzenderes Loos zu genügen; häusliche Zwiste trübten nicht selten den Himmel des innern Glückes und häuslicher Zufriedenheit. Da beide Ehegatten sich in ihren Erwartungen getäuscht sahen, wurde ihre Ehe nach der kurzen Frist von zwei Jahren wieder getrennt. Bürger überlebte dieses bittere Ungemach nicht lange; er starb im Juni 1794 an der Auszehrung. Die geschiedene Gattin behielt den Namen ihres Mannes bei, und wählte die theatralische Laufbahn, auf der sie sich rühmlichst ausgezeichnet hat. Sie betrat zuerst in Altona in der Rolle der Lady Milford die Bühne; später folgte sie einem Engagement nach Hannover, und zeigte sich auf verschiedenen andern Bühnen, auch gab sie Deklamatorien und mimische Darstellungen. Von Elise Bürger ist das häufig, besonders in Süddeutschland mit Beifall aufgeführte Schauspiel, die schwäbische Bäuerin, worin sie gewöhnlich die Hauptrolle gab. Außerdem sind von ihr: das Ritterschauspiel, Adelheid, Gräfin von Teck, in fünf Aufzügen, die Ueberraschung, ein Familiengemälde in einem Aufzuge; die Irrgänge des weiblichen Herzens; mein Taschenbuch, den Freundlichen meines Geschlechtes gewidmet; ferner einzelne Aufsätze im Journal für Theater und Kunst, so wie im Morgenblatt und in der Abendzeitung, verschiedene Gedichte und Lieder, deren genauere Aufzählung uns zu weit führen würde. Im[223] Allgemeinen sind die Schriften von Elise Bürger zwar nicht ganz ohne Werth, doch aber erheben sie sich nicht hoch über die Mittelmäßigkeit. Immer aber wird man sich leichter mit diesen, als mit ihrem Leben aussöhnen.

E. v. E.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 222-224.
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