Simiane, Pauline Marquise von

[252] Simiane, Pauline Marquise von. Nicht leicht wird wieder ein weibliches Wesen mit mehr Ansprüchen auf Glück und Berühmtheit ins Leben treten als diese Dame, die Enkelin der geistreichen Sévigné, Tochter der vergötterten Frau von Grignan und Urenkelin einer Heiligen, der Sainte Chantal. Wirklich war auch Pauline talentvoll und liebenswürdig. Ihre natürlichen Anlagen erhielten durch die treffliche Erziehung einer erfahrnen, wohlunterrichteten Mutter die passendste Ausbildung, und schon im 13. Jahre schrieb sie eine kleine Abhandlung über die Frömmigkeit, die nicht ohne Werth gewesen sein soll. Frau von Sévigné spricht von dem Geiste ihrer Enkelin, der nach ihren Worten déroboit tout, mit Begeisterung; aber es lag weder in ihrem noch in ihrer Tochter Plane, daß Pauline sich den Studien widmen sollte. Ihre Anmuth bereitete ihr bald durch die Liebe des Louis von Simiane, Marquis von Esparron, eine weit freundlichere Bahn. Noch nicht 21 Jahr alt verheirathete sie sich mit diesem sehr reichen, jungen Manne, der später der Nachfolger ihres Vaters, als königlicher Statthalter in der Provence, wurde. Im Schooße des häuslichen Glücks verflossen dort die schönsten Lebensjahre der glücklichen Gattin und Mutter, die indeß bei alledem den Musen nicht völlig untreu wurde. Gedichte von ihr, unter denen sich le coeur de Loulon besonders auszeichnet, erschienen 1715 im Druck. Ihre Briefe, die eben so wenig, wie die ihrer berühmten Großmutter für die Oeffentlichkeit bestimmt waren, fügten später Sammler denen der Frau von Sévigné bei. Sie sind aus den letzten Jahren ihres Lebens und größtentheils Empfehlungen für Unglückliche. Ihrer heitern, wahrhaft poetischen Laune hingegen bot sich überall Stoff zum Gesang; zur Probe dienen die niedlichen Verse, die sie, als Erbin der sehr verschuldeten[252] Güter ihres Vaters in einen Prozeß beim Parlamente zu Aix verwickelt, an einen der Richter schrieb. Sie lauten:

Lorsque j'étois encore cette jeune Pauline

J'écrivois, dit-on, joliment;

Et sans me piquer d'être une beauté divine,

Je ne manquois pas d'agrément.

Mais depuis que les destinées

M'ont transformée en pillier de palais,

Que le cours de plusieurs années

A fait insulte à mes attraits,

C'en est fait, à peine je pense

Et quand par un heureux succès,

Je gagnerois tout en Provence;

J'ai toujours perdu mon procès.

Im Jahre 1718 verlor Pauline ihren Gemahl, verkaufte hierauf ihr Gut Bombilli in der Provence und lebte hierauf abwechselnd im Süden Frankreichs und zu Paris. Der Kreis ihrer zahlreichen, geistvollen Freunde umschloß auch den großen Kanzelredner Massillon. Sie starb zu Paris den 2. Juli 1737 und hinterließ drei Töchter, von denen einer, der Marquise de Vence, die noch jetzt lebenden Abkömmlinge dieser Dame stammen.

F.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 252-253.
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