Die Schlacht bei Knidos und ihre Folgen. Krieg um Korinth. Friedensverhandlungen

[233] Inzwischen war zur See die Entscheidung gefallen. Seit Beginn des Sommers 394 lagen sich die persische Flotte unter Konon und Pharnabazos und die spartanische unter Peisandros aufs neue in den rhodischen Gewässern gegenüber, zunächst, wie es scheint, monatelang, ohne etwas zu unternehmen. Pharnabazos und Konon lagerten bei Loryma auf der rhodischen Chersones; sie mochten noch weitere Verstärkungen abwarten und annehmen (ähnlich wie Lysander 407 und 405), daß die feindliche Seemacht inzwischen ohne Kampf zusammenbrechen werde. Das mag den Anlaß gegeben haben, daß Peisandros sich endlich zum Handeln entschloß; die Kunde von dem Siege bei Nemea, die er jedenfalls noch erhalten hat, mochte ihm den Mut stärken424. Von Knidos aus fuhr er nach Physkos östlich von Loryma, vielleicht um Kaunos anzugreifen. Da gingen, so scheint es, auch Konon und Pharnabazos vor. Peisandros kehrte um und stieß jetzt auf die feindliche Flotte, und diese nahm den Kampf auf. Wie die Schlacht verlaufen ist, die sich jetzt, um den 10. August 394, kurz vor der Schlacht bei Koronea, auf der Höhe von Knidos, entspann, davon ist keinerlei zuverlässige Nachricht auf uns gekommen425; nur das wissen wir, daß Konon das erste, aus den griechischen Schiffen bestehende Treffen führte, während Pharnabazos mit den phönikischen Trieren folgte, und daß Peisandros der Übermacht erlag. Als er alles verloren sah, suchte und fand er wie Kallikratidas tapfer kämpfend [234] den Tod. Die spartanische Flotte war zersprengt oder vernichtet, ein großer Teil der Schiffe, angeblich 50, ans Land geworfen und erbeutet, während die Mannschaft entkommen konnte426.

Die Schlacht bei Knidos hat tatsächlich den Krieg entschieden, wenn er auch noch jahrelang weiterging. Der ägyptische König, der Sparta immer nur lau unterstützt hatte, ist spätestens jetzt von dem Bündnis zurückgetreten, vermutlich unter der Einwirkung des Euagoras, der ihn zu Athen hinüberzog. Mit der Seeherrschaft, die Sparta durch die Besiegung Athens gewonnen hatte, war es vorbei; jetzt geboten die Perser im Ägäischen Meer, wie ein Jahrhundert zuvor bis auf die Flottenschöpfung des Themistokles. Denn wenn auch Sparta in den nächsten Jahren noch kleine Flotten aufgebracht hat, so war es doch, zumal nach dem Abfall Korinths, gänzlich außerstande, den Verlust zu ersetzen. Die Seemacht war hier eben nicht, wie in Athen, eine Schöpfung der eigenen Volkskraft, sondern lediglich ein Ergebnis der Herrschaft über andere, zur See leistungsfähigere Gemeinden. – Pharnabazos und Konon nahmen das von Sparta ausgegebene Schlagwort der Autonomie auf und erklärten, die Städte sollten unbelästigt bleiben und in ihre Zitadellen hinfort keine persischen Besatzungen gelegt werden. Der Reihe nach fielen die Städte und Inseln an der kleinasiatischen Küste von Sparta ab, verjagten die Harmosten und Garnisonen und die zu Sparta haltenden Aristokraten und traten zu den Persern über, so Karpathos, Kos, Knidos, Teos, Ephesos, Erythrä, auch Samos und die kleineren Orte Ioniens, vor allem aber das von Sparta schwer geschädigte Chios sowie auf Lesbos Mytilene. Die kleineren Orte der Insel und ebenso manche äolische Städte, [235] wie Temnos und Ägä, blieben Sparta treu, und am Hellespont behauptete Derkylidas, der von Agesilaos mit der Siegesbotschaft von Nemea hierhin geschickt war (o. S. 232), Abydos, das seit 410 immer eifrig spartanisch geblieben war, und gewann Sestos und mehrere andere Plätze der thrakischen Chersones zurück. Ein Versuch des Konon und Pharnabazos, ihn zu bezwingen, scheiterte. Im nächsten Frühjahr aber (393) zogen beide an der Spitze einer starken Flotte nach den Kykladen und verjagten überall die Spartaner und ihren Anhang, wobei es natürlich ohne Bluttaten und arge Verbrechen so wenig abging wie in den asiatischen Städten. Dann begannen sie die lakonischen Küsten zu verheeren. Mehr als die Athener in den vorigen Kriegen konnten freilich auch sie an den felsigen Küsten mit ihren unentwickelten Periökenorten nicht ausrichten; nur Kythera wurde besetzt, wie ehemals von Athen, die Spartaner verjagt und die Insel dem Athener Nikophemos (o. S. 201) als Vogt übergeben. Dann fuhren die persischen Feldherrn nach Korinth, wo die Delegierten des hellenischen Bundes versammelt waren, um die Fortführung des Krieges zu bereden, und zahlten ihnen Subsidien, die sie dringend gebrauchen konnten427.

Konon hatte seine Erfolge als persischer Admiral errungen; aber sein Ziel wie das seines tatkräftigen Gehilfen Euagoras war durchaus nicht die Aufrichtung der persischen Herrschaft, sondern die Wiederherstellung des attischen Reichs, womöglich in dem ganzen Umfang der Zeit vor 413. Er erhielt von Pharnabazos die [236] Erlaubnis, mit der Flotte nach dem Piräeus zu fahren und den Athenern 50 Talente (272000 Mark) zum Wiederaufbau ihrer Mauern428 zu überbringen. Mit hellem Jubel, mehr noch vielleicht als Alkibiades bei seiner triumphierenden Heimkehr, wurde er von den Athenern aufgenommen, die höchsten Ehren auf ihn und Euagoras gehäuft; auf dem Markt, bei dem Altar des die Freiheit schirmenden Zeus, errichtete man ihre Standbilder in Erz429. Mit vollem Eifer machte man sich an den im Jahr zuvor begonnenen Mauerbau; die einzelnen Strecken wurden auf die Phylen verteilt, die Flottenmannschaft legte mit Hand an; auch die Böoter, die Argiver und andere Bundesgenossen schickten Baumeister und Arbeiter. So hatten sich innerhalb eines Jahrzehnts die Verhältnisse gewandelt, daß dieselben Städte, die damals die Niederlegung der Befestigungen des Piräeus und der Schenkelmauern als Beginn der Freiheit von Hellas begrüßt hatten, jetzt selbst sie wieder aufrichteten als Bollwerk gegen die Herrschaft Spartas. Erst jetzt konnte Athen sich wieder als einen selbständigen Staat ansehen, der jeder Gefahr gewachsen sei. Durch die persischen Subsidien war zugleich der ärgsten Geldnot abgeholfen; man konnte wieder daran denken, Trieren zu bauen und neben dem Landkrieg auch den Seekrieg energisch aufzunehmen. Die nächste und unvermeidliche Folge war freilich, daß die Gegensätze der Parteien, die bisher durch den Druck der äußeren Lage niedergehalten waren, jetzt sofort aufs neue hervorbrachen. Die ärmere Bevölkerung sah wie ehemals im Kriege das erwünschte Mittel, zu Einnahmen und einer besseren Lebenslage zu gelangen; sie forderten den Seekrieg, der ihnen den Ruderersold brachte, Wiederaufrichtung des Reichs und seiner Abgaben, Wiederherstellung der Kleruchien. Die Bauern und die Reichen wollten davon nichts wissen; seit Athen aus der ärgsten [237] Not befreit und wieder unabhängig geworden war, konnte ihnen nur eine friedliche Entwicklung Vorteil bringen, während sie im Kriege alle finanziellen und militärischen Lasten zu tragen hatten und abermals den Ruin ihrer eben erst notdürftig gebesserten Lage befürchten mußten. Aber durch Konons Eingreifen gewann die radikale Strömung die Herrschaft. Die bisherigen Führer, Archinos und Anytos, traten zurück, ebenso Kephalos von Kollytos, der mit Eifer für das Bündnis mit Theben eingetreten war; an ihrer Stelle kamen die echten Erben des Kleon und Kleophon in die Höhe, Demagogen wie Agyrrhios430, Epikrates431, Thrasybulos von Kollytos, ferner der Dithyrambiker Kinesias432, der jetzt das Komponistenhandwerk an den Nagel hängte und sich mit Eifer in das einträglichere Gewerbe des Demagogen stürzte433. Agyrrhios hat den Volksmassen die Möglichkeit gegeben, die politische Entscheidung wieder in ihre Hand zu bekommen, indem er als Entschädigung für den verlorenen Arbeitstag eine Geldzahlung auch für die Besucher der Volksversammlung einführte, zunächst von 1 Obolos, der dann sofort auf Antrag des Herakleides auf 2 und [238] weiter von Agyr rhios auf 3 Obolen (45 Pfennig) erhöht wurde434. Damit war das Übergewicht gebrochen, das bisher infolge der Verarmung die Besitzenden ausübten. Auch der Einfluß des Befreiers Thrasybulos, des Steiriers, war im Sinken. Zwar lebte er wie Konon in dem Gedanken, Athen die Weltmachtstellung wiederzugewinnen; aber wie er ehemals mit Alkibiades zusammen den hellespontischen Krieg geführt hatte, so erhob er jetzt, auf seine Verdienste gestützt, den Anspruch auf die Regentenstellung und forderte von den Bürgern die Unterordnung, mit der sie sich ehemals der Leitung des Perikles gefügt hatten; voll Geringschätzung sah er auf die Demagogen und ihr sykophantisches Treiben herab. Auch sein von Archinos zu Fall gebrachter Antrag auf Erweiterung des Bürgerrechts (o. S. 216) entsprach viel mehr den Tendenzen einer autokratischen Politik als den Idealen der engherzigen Demokraten, die nichts lieber im Munde führten als das Gerede von der Autochthonie der Athener und der Reinheit ihres Bluts. Bei der Erhebung Athens gegen Sparta im J. 395 hatte er die Führung gehabt; so fiel auch die Niederlage am Nemeabach auf ihn zurück, und daß er den fliehenden Athenern schwere Vorwürfe machte, weil sie nicht gewagt hatten, den Spartanern standzuhalten, hatte seine Stellung nicht verbessert. Als dann einen Monat später Konons Sieg die Entscheidung brachte, die Thrasybul nicht hatte er kämpfen können, hatte man für »den Hochmut des Steiriers, der alle Menschen wegen Feigheit schmäht« (Lys. 16, 15), nur noch Spott435. Wieder einmal, wie nach dem Sturz des [239] Alkibiades, hatte sich Konon als den echten Feldherrn der Demokratie erwiesen; und diesmal, wo er ganz nach eigenem Ermessen hatte handeln können, hatte er gezeigt, was er vermochte: das Programm, mit dem Alkibiades die Menge genasführt hatte, hatte er zu verwirklichen verstanden, noch dazu ohne daß es Athen etwas kostete.

Konon hat alles getan, um die Neugründung des attischen Reichs zu fördern. Mit ihm waren zahlreiche Emigranten, die zum Teil auf Cypern ein großes Vermögen gewonnen hatten, nach Athen zurückgekehrt. Auch die Mannschaft seiner Flotte bestand größtenteils aus flüchtigen Athenern und Anhängern Athens aus den Inseln. Die attischen Kleruchengemeinden Lemnos, Imbros, Skyros traten unter die Herrschaft Athens zurück436; die von Sparta abgefallenen, jetzt wieder von den Demokraten regierten Inseln schlossen mit Athen Bündnisse ab437. Nach seinem Einzug in Athen fuhr Konon fort, seine Macht im Ägäischen Meer auszudehnen; aber man konnte zweifeln, ob er als Feldherr des Perserreichs oder als Stratege Athens die Verfassungen umstürzte und Kontributionen für die Flotte erhob, wie er denn z.B. auf Kythera einen Athener als Kommandanten eingesetzt hatte (o. S. 236). Um so weniger war es erforderlich, daß Athen selbst eine größere Flotte aufstellte438; statt dessen sandte es ein starkes Heer zu der Armee der Alliierten nach Korinth, teils aus bürgerlichen Hopliten, teils aus geworbenen Peltasten439. Denn die letzten Kriege hatten gelehrt, [240] daß man eine starke, leichter bewaffnete und darum beweglichere Truppe nicht mehr entbehren konnte; der junge Athener Iphikrates, der ihr Kommando übernahm, erwies sich alsbald als ein tüchtiger Feldherr, der es verstand, ihre Taktik voll auszubilden440. Freilich wurden dadurch die Finanzen schwer belastet; da auf persische Subsidien schwerlich mehr zu rechnen war, mußte man die Steuerkraft aufs äußerste anspannen. Indessen Konon trug sich mit noch höheren Plänen. Die Spartaner hatten sich an Dionys von Sizilien gewandt mit der Forderung, ihnen jetzt die ihm so energisch gewährte Unterstützung durch Entsendung einer Flotte zu vergelten. Konon aber hoffte, Dionys auf Athens Seite hinüberziehen zu können; der Vorkämpfer der Hellenen im Westen sollte sich mit Euagoras, der auf Cypern dieselbe Stellung zu gewinnen strebte, verschwägern; beide zusammen würden dann im Bunde mit Athen die Griechenwelt beherrschen, Spartas Macht vernichten und Persien in seine ehemalige ohnmächtige Stellung zurückdrängen können. Im Februar 393 hatte Kinesias bereits ein Ehrendekret für Dionys, seine Brüder Leptines und Thearidas und seinen Schwager Polyxenos beantragt; jetzt gingen auf Konons Antrag Aristophanes, der Sohn des Nikophemos, und Eunomos zu ihm, um ihm die lockende Kombination vorzutragen441. Es ist wenig wahrscheinlich, daß Dionys sich dadurch blenden ließ und daran dachte, die bewährte Stütze gegen eine sehr problematische Koalition zu vertauschen. Aber er war zur Zeit infolge des neuen Angriffs Magos (o. S. 112) überhaupt nicht imstande, in Griechenland zu intervenieren; so konnte er den Athenern die Unterlassung der Hilfssendung an Sparta als eine ihnen erwiesene Gefälligkeit hinstellen.

Sparta hat die Niederlage von Knidos hinnehmen müssen, ohne für die Verteidigung seiner Herrschaft im Ägäischen Meer [241] etwas tun zu können. Auch an eine Ausbeutung der Siege zu Lande war jetzt nicht mehr zu denken. Die Schlacht bei Koronea hat Agesilaos nur schlagen können, indem er seinen wenig kampflustigen Soldtruppen die Seeschlacht, von der er kurz zuvor Kunde erhalten hatte, für einen Sieg ausgab. Als dann die Wahrheit bekannt wurde, ist sein Heer, das jetzt in einen raschen Erfolg Spartas kein Vertrauen mehr hatte, größtenteils auseinandergegangen. Der wunde König begab sich selbst nach Delphi; mit dem Reste der Truppen und dem spartanischen Kontingent hat dann der Oberst (Polemarch) Gylis noch versucht, die Lokrer zu unterwerfen, aber eine empfindliche Schlappe erlitten, bei der er selbst fiel. Darauf entließ Agesilaos das Heer und ging selbst zu Schiff in die Heimat442. – Der Landweg war durch Korinth gesperrt. Fortan mußte sich Sparta auf die Verteidigung des Peloponnes beschränken; nur die feste Stellung in Orchomenos hat es dauernd gegen die Böoter behauptet. Der Landkrieg konzentrierte sich auf das Gebiet von Korinth443. Die Verbündeten hatten hier ein starkes Heer aufgestellt, das sich auf die Stadt und die Verbindungsmauern zum Hafen Lechaion stützte; die Spartaner mit ihren Bundesgenossen führten von Sikyon aus die Verteidigung; zugleich versuchte ihr Nauarch Podanemos gegen die mit dem Gelde des Pharnabazos (o. S. 235f.) von Korinth ausgerüsteten Schiffe unter Agathinos die achäische Küste zu schützen. Zu größeren Gefechten kam es nicht444; aber Korinth hatte unter dem ununterbrochenen [242] Kriegszustand schwer zu leiden. Man begreift, daß die spartanisch gesinnten Aristokraten Hoffnung hatten, durch eine Erhebung die Stadt zugleich vom Kriege und von der Herrschaft der Demokratie befreien zu können, und einen Handstreich vorbereiteten. Aber die Demokraten kamen ihnen zuvor; gestützt auf die verbündeten Truppen überfielen sie bei einem Volksfest ihre Gegner und erschlugen, wer ihnen in die Hand fiel. Korinth war durch die Kämpfe der letzten vierzig Jahre so heruntergekommen und seine Stellung so exponiert, daß die Demokraten daran verzweifelten, sich aus eigener Kraft auf die Dauer selbständig behaupten zu können; sie beschlossen, sich mit Argos zu einem Staat zu vereinigen. Die Grenzsteine des Gebietes wurden ausgehoben, der Name Korinth verschwand aus der politischen Geographie; der Demos in der Stadt war fortan ein Teil des Demos von Argos. Für Argos war das ein gewaltiger Erfolg, der erste Schritt zu dem ersehnten Ziel seiner Herrschaft über den Peloponnes. Die Athener freilich waren nichts weniger als erbaut über den Vorgang445; und die Reste der Aristokraten schäumten vor Entrüstung über diese Selbstvernichtung ihrer alten ruhmreichen Heimat. Soweit sie bei dem Massaker nicht zu den Spartanern geflohen waren, hatten sie versucht, sich auf Akrokorinth zu verteidigen, dann aber mit dem Demos Frieden geschlossen und gegenseitig beschworen. Jetzt aber öffneten ihre Führer, Pasimelos und Alkimenes, dem spartanischen Oberst Praxitas, der in Sikyon stand, bei Nacht die Tore und setzten sich mit den Eingedrungenen zusammen zwischen den Verbindungsmauern fest. Das Gesamtaufgebot von Argos rückte eiligst aus und suchte mit den Korinthern und den böotischen und athenischen Truppen die feindliche Stellung zu erstürmen; aber trotz ihrer Überzahl erlitten sie in dem engbegrenzten Raum eine blutige Niederlage. Auch der Hafen Lechaion wurde den hier stationierten Böotern entrissen (Hochsommer 393). Praxitas legte Bresche in die Schenkelmauern und besetzte mehrere korinthische Kastelle im Norden des Isthmos; den Spartanern war der Landweg [243] nach Mittelgriechenland geöffnet, den Korinthern die Verbindung mit dem Korinthischen Golf unterbunden; da Megara neutral blieb, konnten sie die Verbindung mit Böotien nur vom Hafen Peiraion aus, in dem Gebirgslande nördlich vom Isthmos, aufrechterhalten446.

Zum dritten Male hatten die Spartaner die Armee der Verbündeten geschlagen, und zwar diesmal noch weit empfindlicher als zuvor. Trotzdem konnten sie zu einer energischen Offensive nicht gelangen, nicht nur weil sie in das geschlossene Gebiet der Feinde nicht ernstlich vorzudringen wagten, sondern vor allem aus Mangel an Geld. Die spartanischen Bürgertruppen waren zwar jederzeit mobil, aber sie mußten möglichst geschont werden; die Peloponnesier dagegen konnten größere Bürgerheere auf längere Zeit so wenig ins Feld stellen wie die Gegner. So begnügte man sich auf beiden Seiten, die wichtigsten Punkte mit Garnisonen zu belegen und im übrigen die Kriege mit Soldtruppen zu führen; für die Aufstellung größerer Soldheere aber waren nirgends Geldmittel vorhanden, wenn nicht Persien Subsidien zahlte. Es blieb nur der Kleinkrieg, der die Entscheidung möglichst hinauszog, bis der Gegner erschöpft wäre und einen annehmbaren Frieden böte. In diesen Kämpfen hat Iphikrates die Peltastentaktik ausgebildet, den Mannschaften längere Spieße und Schwerter gegeben und die Schutzwaffen leichter und bequemer gemacht. Er dehnte seine Streifzüge bis nach Arkadien aus und tat den Gegnern mancherlei Abbruch, trieb aber dafür das bisher neutral gebliebene (o. S. 231) Phlius durch einen Angriff den Spartanern in die Arme447. Argos behauptete seinen Einfluß in Korinth und sicherte zugleich sein Gebiet gegen spartanische Einfälle, indem es den heiligen Monat Karneios, dessen Waffenruhe alle Dorier anerkannten, im Jahre hin und her schob448 – das umgekehrte Spiel hatte es einmal während [244] des Sonderbundskriegs getrieben (Bd. IV 2, 192, Thuk. V 54, 3). Die Spartaner ließen sich das gefallen, da sie ohnehin zur Zeit den Krieg nicht ernsthaft führen wollten449.

Die spartanische Regierung hatte längst erkannt, daß durch den Landkrieg nicht zum Ziele zu gelangen sei. Seit der Schlacht bei Haliartos und vollends seit Knidos war sie über die Verkehrtheit der bisherigen Politik nicht mehr im Zweifel. Gleichzeitige Behauptung der Herrschaft über Hellas und Erfüllung der nationalen Aufgaben war für Sparta eine Unmöglichkeit. Fortan hatte es ausschließlich nur seine Interessen zu verfolgen; Wiedergewinnung des alten Verhältnisses zu Persien auf der Basis der Verträge von 412 war das einzige Mittel, das es aus der gegenwärtigen Bedrängnis befreien konnte. In Sardes war inzwischen als Nachfolger des Tissaphernes als Satrap und Reichsfeldherr – der Chiliarch Tithraustes war, nachdem er den Satrapen beseitigt und die nötigsten Maßregeln für die Kriegsführung getroffen hatte, alsbald an den Hof zurückgekehrt – der bisherige Satrap von Westarmenien, Tiribazos (o. S. 179), eingetroffen, der das Vertrauen [245] des Königs in hohem Grade besaß. Mit ihm knüpfte Sparta im Winter 393/2 Verhandlungen an; der Gesandte Antalkidas, der Sohn des Leon, erwies sich für seine Aufgabe vortrefflich geeignet. Er stellte dem Satrapen vor, daß Pharnabazos, wenn er sich blindlings von dem Haß gegen Sparta leiten lasse und dem Konon volles Vertrauen geschenkt habe, den wahren Interessen des Reiches zuwiderhandle: Konon wirke nicht für Persien, sondern lediglich für Athen, und so richte Persien mit seinen eigenen Mitteln seinen gefährlichsten Feind wieder auf. Sparta habe jetzt den Fehler erkannt, den es begangen habe: es biete Frieden auf Grund der doppelten Bestimmung, daß die Städte auf dem asiatischen Festland, den alten Verträgen entsprechend, dem König überlassen bleiben, alle anderen Griechenstädte auf den Inseln wie in Europa aber autonom sein sollten. Die Koalierten versuchten Antalkidas entgegenzuwirken; Athen schickte Konon mit vier anderen Gesandten nach Sardes, und mit ihm kamen Gesandte des Böotischen Bundes und des argivisch-korinthischen Einheitsstaats. Tiribazos war bereit, auf die Propositionen Spartas einzugehen, und legte sie dem Friedenskongreß vor. Aber von den Koalierten wollte keiner sie annehmen. Nationale Gesichtspunkte kamen allerdings auch für sie nicht in Betracht; aber die Autonomieklausel, die, wie sie richtig erkannten, nichts anderes bedeutete als die Wiederherstellung der spartanischen Suprematie, war für sie unannehmbar: Theben wollte auf die Hegemonie über Böotien nicht verzichten, Athen die Inseln Lemnos, Imbros und Skyros, Argos Korinth nicht herausgeben. So scheiterten die Verhandlungen450. Jedoch Tiribazos war von Antalkidas vollständig [246] gewonnen. Auf eigene Hand die neue Schwenkung der persischen Politik zu vollziehen, wagte er allerdings nicht. Aber während er die übrigen Gesandten entließ, setzte er Konon als Verräter an der Sache des Königs gefangen451 und gab dem Antalkidas insgeheim Geld, um aufs neue eine Flotte auszurüsten und dadurch die Feinde zum Frieden zu zwingen. Dann ging er an den Hof, um seine Entscheidung anzurufen.

So lag die Entscheidung in den Händen des Perserkönigs. Daß die von Tiribazos befürwortete Politik allein richtig sei, konnte bei kühler Erwägung nicht zweifelhaft sein. Aber es ist begreiflich, daß wie bei Pharnabazos so auch beim König und seinen Ministern zur Zeit noch die Erbitterung über Spartas Treulosigkeit überwog; man beschloß, an der von Pharnabazos und Tithraustes – der vermutlich als Vezir auch jetzt für die Fortführung des Krieges eingetreten sein wird – inaugurierten Politik festzuhalten. Daher wurde an Tiribazos' Stelle Struthas als Oberfeldherr und Statthalter des ionischen Küstenbezirks nach Kleinasien gesandt mit dem Auftrag, den Krieg gegen Sparta fortzusetzen. In Lydien wurde Autophradates als Satrap eingesetzt, während Karien, wenn nicht schon nach dem Sturz des Tissaphernes, so jetzt einem einheimischen Dynasten Hekatomnos von Mylasa übergeben wurde (vielleicht unter Struthas als Obersatrapen?)452. – Inzwischen hatten die Athener, um den Spartanern einen Angriff auf Attika unmöglich zu machen, die Bresche in den Schenkelmauern von Korinth durch ihre Architekten und Steinmetzen wieder aufgebaut, zugleich wohl in der stillen Hoffnung, dadurch die Stadt aus der Verbindung mit[247] Argos zu lösen und zu sich herüberzuziehen. Daneben ging der Kleinkrieg vor Korinth ergebnislos weiter. Gegen Ende des J. 392 mag dann Struthas in Kleinasien eingetroffen sein: er nahm sofort die Verbindung mit Athen und seinen Bundesgenossen wieder auf. Die Folge war, daß Sparta seinen Gegnern einen Schritt weiter entgegen kam. Auch in Athen und Theben waren weite Kreise des Krieges müde, der sich nun ergebnislos schon vier Jahre hinzog und große Opfer an Bürgerblut und noch größere an Geld gekostet hatte. Etwa Anfang 391 kam es zu neuen Friedensverhandlungen in Sparta453. Dies erbot sich, die Suprematie Thebens über die böotischen Landstädte mit Ausnahme von Orchomenos und die Athens über die drei Klerucheninseln anzuerkennen und die Bedingungen des Friedens von 404, welche die Wiederherstellung der Mauern Athens und die Vermehrung seiner Flotte verboten, zu kassieren. Dagegen sollten im übrigen alle Griechenstädte autonom sein. Vor allem bestand Sparta auf der Freigebung von Korinth; und in der Tat hatte ohne diese Konzession der Friede für Sparta keinen Wert. Der Böotische Bund war bereit, auf diese Bedingungen hin Frieden zu schließen454, während Argos natürlich aufs heftigste opponierte. Die Entscheidung lag bei Athen. Die athenischen Gesandten, geführt von Andokides, der unter der Restauration heimgekehrt und trotz schwerer Anfeindungen (o. S. 222,1) im Anschluß an die Konservativen wieder zu Einfluß gelangt war, hatten selbst Bedenken, ob der Demos bereit sein werde, sich mit diesen Bedingungen zu begnügen, und hatten deshalb, obwohl sie Vollmacht hatten, den Frieden nicht abgeschlossen, sondern die Entscheidung der Volksversammlung überlassen. Es kam, wie sie gefürchtet hatten. Vergeblich hielt Andokides dem Volke vor – seine Rede ist uns noch erhalten –, daß Athen völlig außerstande sei, mehr zu erreichen: »Weshalb sollen wir den Krieg fortsetzen? Um die Chersones und die Inseln und den auswärtigen Grundbesitz und die ausstehenden Schulden wieder zu bekommen? Aber das will weder der König noch die Bundesgenossen zugeben, mit [248] denen zusammen wir doch den Krieg führen müssen. Oder sollen wir Krieg führen, bis wir Sparta und seine Bundesgenossen völlig zu Boden geworfen haben? Aber dazu haben wir gar nicht die Mittel. Wenn wir aber das erreichen würden, was würden wir dann erst von den Persern zu leiden haben! Auch wenn wir dafür genügend Geld hätten und unser Bürgerheer selbst leistungsfähig wäre, dürften wir diesen Krieg doch nicht führen.« Er wies darauf hin, daß Athen Sparta zu Dank verpflichtet sei für sein Verhalten in der Zeit, als Athens jetzige Bundesgenossen seine Zerstörung forderten, und daß Sparta jetzt alles gewähre, was man billigerweise verlangen könne; Athen solle sich nicht wieder wie ehemals durch die trügerische Hoffnung auf Argos verleiten lassen und die Ruhe, deren es für eine Neukräftigung dringend bedürfe, darangeben, um Korinth für die Argiver zu behaupten. Es war umsonst. Die Demagogen erklärten, daß sie für Athen nichts mehr herbeisehnten als den Frieden, daß sie aber einen solchen Frieden verschmähen müßten, der die Stadt aufs neue gebunden an Sparta ausliefere – damals wird Philokrates das Wort gesprochen haben, daß man den Spartanern nur trauen dürfe, wenn sie nachwiesen, daß es ihnen unmöglich gemacht sei, unrecht zu tun; denn daß sie es immer tun wollten, wenn sie könnten, sei zweifellos455 –; und die Armen schrien: »von den Mauern könnten sie nicht leben, sie müßten ihr rechtmäßiges Eigentum in dem alten Reichsgebiet wieder haben.« Den Ausschlag hat offenbar eben die Wendung in Persien gegeben, die Sparta zu seinen Konzessionen veranlaßte; im Bunde mit Argos und Persien meinte man die alte Macht aufs neue wieder gewinnen zu können. Der Friede wurde verworfen, und der Krieg ging weiter456. Die Gesandten werden von Kallistratos angeklagt; sie wagten nicht, sich dem Gericht zu stellen, und wurden verurteilt457.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 51965, Bd. 5, S. 233-249.
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