Goldenes Zeitalter

[108] Goldenes Zeitalter, heißt im Gegensatze zur Wirklichkeit die Zeit eines glückseligen Erdenlebens, des Zustandes irdischer Vollkommenheit. Die Vorstellungen davon hängen historisch mit der Erinnerung an den Stand der Unschuld der Menschheit, an das Leben im Paradiese zusammen, psychologisch aber mit dem zu jeder Zeit herrschenden Gefühle der Unangemessenheit der wirklichen Lebenszustände und mit dem Drange des Menschen nach Erlösung und Vervollkommnung. Deßhalb finden sich Vorstellungen vom g. Z. wohl bei allen Völkern, die nicht ganz zum Thier herabgesunken, freilich vielfach gestaltet und verunstaltet durch Religion, Volkscharakter u. wirkliche Zustände. Das goldene, silberne, eherne und eiserne Zeitalter der griech. und röm. Dichter (Hesiod, Aratos, Ovid, Virgil), die Zeitalter der [108] Inder, die Sehnsucht der Juden nach dem Messiasreiche, die Träume der christl. Chiliasten sind so bekannt als die Sagen der nordamerikan. Indianer u.a. Völker. Endlich bezeichnet g. Z. die Blütezeit eines Volkes überhaupt, namentlich die seiner Literatur, z.B. das perikleische u. augusteische Zeitalter, das Ludwigs XIV. und Göthes.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 108-109.
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