Goldenes Vließ

[450] Goldenes Vließ, 1) s.u. Argonautenzug I.; 2) (El Tusan, El Toyson de oro, Ordre de la toison d'or), Ritterorden von Philipp dem Guten, Herzog von Burgund, an seinem Vermählungsfest mit der Prinzessin Isabella von Portugal zu Brügge den 10. Jan. 1429, nach And. 1430 gestiftet u. der Jungfrau Maria u. dem Apostel Andreas geweiht. Den Namen soll er davon haben, daß der Vater des Stifters, Herzog Johann der Kühne, einst von den Türken in Kolchis, dem Lande des Goldnen Vließes (s.u. Argonautenzug) gefangen gehalten wurde, u. dem St. Andreas soll er deshalb gewidmet sein, weil dieser Heilige in jenem Lande das Evangelium gepredigt habe. Hauptzweck: Ehre des Ritterthums, Erhaltung des katholischen Glaubens; der Orden wurde vom Papst Eugen 1433 u. von Leo X. 1516 bestätigt. Ein Artikel der Statuten (gegeben zu Lille am 30. November od. 27. December 1431 in französischer Sprache) setzte fest,[450] daß, wenn das burgundische Haus in männlicher Linie erlösche, der Gemahl der Tochter u. Erbin des letzten Herrschers Großmeister des Ordens sein solle. Nach Karls des Kühnen Tode (1477) erhielt daher der Gemahl seiner Erbtochter Maria, Maximilian I. von Österreich, das Großmeisterthum Im Spanischen Successionskriege prätendirten sowohl Karl III. (nachheriger Kaiser Karl IV.) als Philipp V., König von Spanien, dieß Recht; Erster nahm, als er Spanien verließ, das Ordensarchiv mit u. feierte 1713 in Wien die Erneuerung des Ordens; auf dem Congreß von Cambray 1721 protestirte Spanien hiergegen, u. der Streit endigte 1725 im Wiener Frieden damit, daß die Regenten beider Staaten, unter Ertheilung fast gleicher Ordenszeichen, das Recht haben, Ritter des G-n V-s zu ernennen, u. daß nur der Beisatz: österreichischer od. spanischer G-r V. unterscheiden. Als nach Karls VI. Tode Maria Theresia das Großmeisterthum 1741 an ihren Gemahl Franz I. übertrug, protestirte Philipp V. von Spanien bei dem Wahlconvente in Wien u. in Frankfurt hiergegen. Im Frieden zu Aachen 1748 verlangte Frankreich, England u. Holland, daß dieser Streit beigelegt werde, König Ferdinand VI. von Spanien ließ aber erklären, daß es keines Beilegens bedürfe, u. daß jene Stelle mit der Krone Spanien unzertrennlich verknüpft sei. So ist denn der Streit unentschieden geblieben, u. beide Theile vertheilen Orden, ohne den Orden des Andern anzuerkennen. Die Statuten verordnen, daß die Ritter keinen andern Gerichtsstand anerkennen, als eine Versammlung der Ordensritter unter Vorsitz des Großmeisters od. eines von diesem bevollmächtigten Ritters, ebenso keine Abgaben geben u. den Vorrang vor jedem haben, außer vor Personen von Geblüt. Neben dem G. V. darf eigentlich kein andrer Orden getragen werden (doch wird hiervon fast immer dispensirt); kein Ritter soll in fremde Kriegsdienste gehen; Hochverrath u. Feigheit vor dem Feind machen des Ordens verlustig. Ordenszeichen: ein goldnes Widderfell (Vließ), darüber ein goldner blauemaillirter Feuerstein u. die Worte: Pretium laborum non vile (d.h. der Lohn der Arbeit nicht gering). Bei Festen wird das Zeichen an einer Kette, aus Feuerstählen u. Feuersteinen, woraus Flammen springen (dem alten Sinnbilde des Hauses Burgund), zusammengesetzt, gewöhnlich aber an einem rothen Band um den Hals getragen. Ordenskleidung des österreichischen G-n V-s: bei Ordensfesten ein hochrother sammtner, mit weißem Taffet gefütterter Talar, darüber ein purpurfarbiger, mit weißem Atlas gefütterter langer Mantel, mit Stickerei eingefaßt, in welcher Feuersteine u. Stahl mit hervorsprühenden Flammen angebracht sind; der äußere Saum des Mantels ist von weißem Atlas, darauf der Denkspruch früher Autre nauray (ich werde keinen anderen haben), seit Karl dem Kühnen: je l'ay empri (d.i. ich habe ihn angenommen), wiederholt in Gold gestickt; den Kopf bedeckt eine Mütze von purpurfarbenem, goldgesticktem Sammt mit herabfallendem Mäntelchen, u. daran auf der linken Seite eine herabhängende glatte Streifbinde; Schuhe u. Strümpfe roth. Ordensfest jährlich in Österreich zu Wien am St. Andreastag od. an dem nächsten Sonntag. Am heiligen 3 Königstage ist stets Toisonamt in der Hofkirche. Beamte des Ordens sind in Wien ein Kanzler, ein Schatzmeister, ein Greffier, ein Wappenkönig. In Spanien ist die Verfassung des Ordens eben so, die Vertheilung geschieht daselbst ohne Rücksicht auf die Religion (während in Österreich der Ritter katholisch sein muß), doch bedarf es hierzu des päpstlichen Dispens. Ordenstracht dieselbe, doch ohne Mantel. Den spanischen Rittern ertheilte Philipp IV. noch das Recht, in Gegenwart des Königs das Haupt bedecken u. in die königlichen Gemächer unangemeldet eintreten zu dürfen. Auch König Joseph Napoleon erneute den Orden 1809, während er alle andere spanische Orden aufhob. Die Zahl der Ritter sollte ursprünglich 31 sein, 1516 wurde sie auf 52 erhöht; 1851 zählte der Orden in Österreich 6 Großkreuze, 20 Commandeure u. 161 Ritter.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 450-451.
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