Seelenwanderung

[169] Seelenwanderung, griech. Metempsychosis (Seelenwechsel) oder Metensomatosis (Leibeswechsel), die Lehre, die Seele schlage nach dem Tode ihres Leibes ihren Wohnsitz sofort wieder in einem andern Leibe auf. Die S. hat offenbar die Unsterblichkeit der Seele zur Voraussetzung und in den Religionen der Inder und alten Aegypter sowie in der Philosophie Platons einen vorherrschend ethischen Zweck. Im Einzelnen wurde sie verschieden gestaltet; die Inder nehmen eine S. durch Pflanzen- u. Thierleiber an, manche Negerstämme glauben nur an eine Wanderung durch verschiedene Menschenleiber, die alten Rabbinen behaupteten, Gott habe eine bestimmte Anzahl Judenseelen erschaffen, die immer wieder kämen, bis sie dereinst insgesammt im Thal Josaphat auferstünden. Die Lehre von der S. hat manches Empfehlende für den gesunden Menschenverstand und zudem ihre poetischen und nicht minder [169] der Satire günstigen Seiten, aber das Christenthum widerspricht ihr, indem nach seiner Anschauung der Mensch nur einmal hienieden lebt, das Erdenleben für Hölle, Himmel oder Fegfeuer des Individuums entscheidet, welches nach seinem Absterben sofort gemäß seinem Thun gerichtet wird.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 169-170.
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