Wassersucht

[675] Wassersucht, lat. hydropsia, eine allgemein gekannte und gefürchtete Krankheit, deren wesentliches Merkmal in der abnormen Ansammlung von wässeriger, meistens zugleich Eiweiß- u. Faserstoff nebst Blutsalzen enthaltender Flüssigkeit besteht. Die W. tritt sowohl als acuter wie auch als chronischer Krankheitsproceß auf; im ersteren Fall ist die angesammelte Flüssigkeit stets das Produkt einer vorangegangenen od. gleichzeitigen Entzündung. Der Sitz der W. ist vornämlich irgend eine mit einer serösen Haut ausgekleidete Körperhöhle z.B. der geschlossene Sack der Spinngewebehaut, des Gehirns, der Herzbeutel, die Säcke der Pleura, die Bauchhöhle, der Hodensack, die Gelenkshöhlen etc.; sodann das gesammte Zellgewebe, namentlich das Unterhautzellgewebe u. das Parenchym der Körpereingeweide. Ist der Krankheitsproceß ein chronischer, wobei er in ganz den gleichen Organen verlaufen kann, wie als acute Krankheit, so sind es vornämlich 2 Ursachen, welche ihn begründen: mechanische Hindernisse der Blutcirculation u. das Sinken der Lebenskraft, welche den Geweben allmälig weder den nöthigen Tonus erhalten, noch ein theilweises Zerfallen der thierischen Flüssigkeiten in ihre chemische Elemente mehr verhindern kann. Es bildet darum die W. eine so häufig gesehene letzte Entwicklungsphase aller möglichen Krankheiten. Als Folgekrankheit von Circulationsstörungen tritt die W. auf bei Herzkrankheiten, Nieren-, Leberleiden u. natürlich bei jeder auf die Gefäße als Druck wirkenden größerer Masse, welche da oder dort als Afterproduct im Körper vorkommt. Nach dem Sitze der serösen Flüssigkeit gibt es verschiedene W.en: Gehirn-W. (hydrocephalus), Brust. W. (hydrothoras), Herzbeutel-W. (hydrops pericordii), Bauch. W. (hydrops ascites), Haut-W. (hydrops anasarca), Eierstock-W. (hydrops ovarii), Gebärmutter-W. (hydrometrae), Wasserbruch (Ansammlung in den Hüllen des Hodens) (hydrocele). Die Prognose ist sehr verschieden und hauptsächlich von dem causalen Moment der W. abhängig. Ist die W. als Symptom des Zerfalls der Lebenskräfte anzusehen, so ist sie absolut lethal zu stellen. Die Heilung geschieht sowohl mittelst Anwendung innerlicher Arzneimittel als auf operativem Weg. Mittelst der innerlichen Arzneimittel sucht man stets die Resorption zu steigern u. [675] die ergossene Flüssigkeit irgend einem Excretionsorgan Haut, Nieren u. Darmkanal zur Ausscheidung zuzuführen. Die Chirurgie entfernt unmittelbar das Wasser durch Abzapfen.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 675-676.
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