Außenwelt

[78] Außenwelt heißt die Gesamtheit aller Dinge unserer sinnlichen Wahrnehmung, die sich uns in Raum und Zeit darstellen und die zu unserem Innern einen Gegensatz bilden. Auf der Unterscheidung der Innenwelt von der Außenwelt beruht das Selbstbewußtsein und die Idee der Persönlichkeit. Der naive Realismus schreibt der Außenwelt die Existenz im vollen Umfange zu. Anders die Philosophie. Schon die Eleaten (c. 550-400) leugneten die Existenz der Vielheit, der Bewegung, des Werdens und der Veränderung. Die Atomisten Leukippos und Demokritos (im 5. Jahrh. v. Chr.) bestritten die Existenz des Qualitativen in der Außenwelt. Platon (427 bis 347) sah in der Materie ein Nichtreales. Locke (1632-1704) schied die sekundären Eigenschaften (Licht, Farbe, Ton usw.) von den primären (Größe, Gestalt, Zahl, Lage, Bewegung, Ruhe) und erkannte nur die letzteren als wirkliche Eigenschaften der äußeren Dinge an. Berkeley (1685-1753) bekämpfte die Lehre von einer an sich existierenden Körperwelt und setzte das Sein derselben als gleichbedeutend mit dem Vorgestelltwerden (esse = percipi). Für Leibniz (1646 bis 1676) sind die wahrhaft existierenden Wesen die Monaden, punktuelle Seelenwesen mit der Kraft der Vorstellung. Die[78] Außenwelt und alles Körperliche besteht aus Monaden und wird nur in verworrener Vorstellung als räumlich gefaßt. Nach Kant (1724-1804) ist die Außenwelt nicht Ding an sich, sondern Erscheinung. Es kommt ihr Realität, aber nur empirische Realität zu. Das Ansich der Dinge ist nur ein unbestimmbares X. Nach Fichte (1762-1814) ist die Außenwelt, das Nicht-Ich, nur eine Setzung des Ichs, das Material unseres Pflichtbegriffes. Nach Hegel (1770-1831) ist die Welt die sich logisch entwickelnde Vernunft. Der Natur kommt nur die Stellung zu, daß sie die absolute Vernunft in ihrer Selbstentäußerung, die Idee in der Form des Anderssein ist. So hat also die Philosophie besonders in ihren idealistischen Systemen die naive Vorstellung von der Außenwelt vielfach beschränkt und umgestaltet. – Aber auch die moderne Physik, die im wesentlichen die Idee der Atomisten aufgenommen hat, führt alles Qualitative in der Außenwelt auf Quantitatives zurück und steht etwa auf dem Standpunkt, den Locke philosophisch fixiert hat. Die Existenz einer objektiven Welt wird aber, ohne daß dadurch ihr Wesen bekannt wird, bewiesen durch das Unfreiwillige und Ungewollte unserer Sinneswahrnehmungen.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 78-79.
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