Infusorienerde

[193] Infusorienerde (Infusorienmehl, Bergmehl, Kieselgur, Kieselmehl, Diatomeenpelit), bald lockere, staubartige, bald festere, kreideähnliche Masten, bald ganz lose, mehlartige Anhäufungen bildendes Material, zerreiblich, von kreideweißer, graulichweißer bis lichtbrauner Farbe, matt, aus Kieselpanzern von Diatomeen, namentlich von Gallionella und Navicula gebildet. Kieselsäure und Wasser finden sich bei derselben in sehr veränderlichem Verhältnis, meist mit beigemengter Tonerde und Eisenoxyd; sie bildet Lager von zuweilen nicht unbedeutender Mächtigkeit.

Vorkommen: bei Oberohe im Amt Ebersdorf am Südrande der Lüneburger Heide; auf der Nordseite des Hochsimmer unweit des Laacher Sees; bei Franzensbad in Böhmen; in der Stärke von 6–8 m bei Altenschlürf und Steinfurth im Vogelsgebirge; ein Teil des Bodens, auf welchem Berlin steht, ist 4–5 m unter Tag aus einem 11/2–30 m mächtigen Lager eines schlammigen Tones, zu zwei Dritteilen seiner Masse aus fossilen Gallionellen zusammengesetzt; in Zastreba in Ungarn ist ein 5 m mächtiges Lager von Kieselgur. Aehnlich bei Castel del Piane unweit Santa Fiora in Toskana, bei Drepenäre in Schweden unter einer Lage verwitterten Mooses, ferner zu Kymmenegard. In der eocänen Tertiärformation von Richmond (Virginia) lagert nach Rogers eine stellenweise 10 m mächtige Schicht von gelber, tonähnlicher, aber gänzlich aus Diatomeenpanzern bestehender Kieselgur; in dem Flußbette des Fall River, eines Armes des oberen Columbiaflusses in Oregon, entdeckte Fremont das mächtigste aller bis jetzt bekannten Kieselgurlager. In Rußland hat man erst vor kurzem sehr bedeutende Lager dieses Materials gefunden.

Zur Infusorienerde gehört auch das weiße, pulverförmige Material, welches in Algier zu Ceyssat, unsern Pontgibaud, und Randan in Frankreich vorkommt und als Randanit[193] bezeichnet wird. Nach Ehrenberg bilden sich jährlich 18000 Kubikfuß von kieseligen Organismen in dem Hafen zu Wismar; ähnliche Anhäufungen gehen in den amerikanischen Häfen vor sich.

Infusorienerde ist in hohem Grade absorptionsfähig (sie nimmt im Durchschnitt das fünffache Gewicht an Wasser auf), außerordentlich leicht, ein sehr schlechter Wärmeleiter, gegen die meisten chemischen Einflüsse unempfindlich und unverbrennbar. Sie wird verwendet zur Herstellung poröser, feuerfester Steine, als Filtriermaterial, zu Schleifsteinen, zur Fabrikation von Wasserglas, zum Aufsaugen von Flüssigkeiten, um gewisse Materialien (wie Häute) auszutrocknen, zum Trockenhalten der Gebäude und zur Beseitigung des Holzschwammes; sie ermöglicht durch ihr enormes Aufsaugungsvermögen das Nitroglyzerin in feste Form zu bringen, auch kann sie bei Feuerungen zum kontinuierlichen Aufsaugen flüssigen Brennmaterials, wie Petroleum, dienen. Mit Schwefelkohlenstoff getränkt, dient sie zum Schütze der Reben gegen die Phylloxera; zum Desinfizieren von Räumen, Fahrzeugen aller Art, Waren und lebenden wie toten Tieren, zum Absorbieren aus Klosettschachten aufzeigender Gase wurde sie von Frank empfohlen. Konzentrierte Schwefelsäure, rauchende Schwefelsäure und viele andre ätzende Flüssigkeiten können von ihr aufgesogen und dann gefahrlos transportiert werden. Sie wird ferner als Wärmeschutzmasse zum Umhüllen von Dampfrohrleitungen, Zylindern, Kesseln benutzt, dient in der Siegellackfabrikation als Füllmittel, zum Scheiden und Klären von schmutzigen Fetten, als Füllmaterial für Fußböden und Hohlräume in Gebäuden, als Putzmittel, Modellierton und Formsand, als Verpackungsmaterial u.s.w.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 193-194.
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