Baumwollspinnerei [2]

[63] Baumwollspinnerei. Transport der Baumwolle auf die Stöcke. Die Fig. 1 in Bd. 1, S. 595, zeigt den Kastenspeiser, welcher durch Transportgitter an der Decke die Baumwolle von den Ballen nach den Baumwollstöcken befördert, wo die Mischung nach Qualität und Sorte stattfindet.[63]

Förderung der Baumwolle von den Stöcken nach den Oeffnungsmaschinen. Vor der Stockreihe liegt das Transportgitter a, auf welches die Baumwolle in beliebigen Quanten gelegt wird. Bei b (Fig. 1) läuft das Material in den Karten d und wird durch die Gitter f und h weiterbefördert. g in eine oszillierende Wand, welche durch die Vorrichtung c die Zuführung bei b ab stellt, wenn der Kasten d gefüllt ist. Wenn g zurückgeht (nach rechts) bei schwindendem Kasteninhalt, rückt b wieder ein, und es marschiert wieder Material nach d. Fig. 2 zeigt im Auf- und Grundriß die selbsttätige Baumwollförderung aus dem Kastenspeiser a nach den Oeffnungsmaschinen. An a angeschlossen ist der Voröffner b, welcher mit der Messertrommel in m dem Oeffner vorarbeitet. In der Rohrleitung c wird vom Saugflügel e und von der drehenden Bewegung der vertikalen Messertrommel d im Gehäuse des Vertikalöffners die Luft angelogen und damit die Baumwolle im Oeffner d wird sie aufgeschlossen und gereinigt, vom Exhaustor e eingesogen und von seiner Messertrommel weiter geöffnet. Die Siebtrommeln i saugen die Unreinheiten ab, und der Schläger s besorgt die volle Fasertrennung, während der Wickelapparat w die Watte aufrollt.

Der Vertikalöffner d (Fig. 2 vgl. a. Fig. 4 und 5, Bd. 1, S. 596) hat für die Messerwelle in der Pfanne und im oberen Halslager Kugelringe, eine bedeutende Reibungsverminderung bringend.

Der Horizontalöffner (Fig. 2 und 3 in Bd. 1, S. 595) wird auch an eine Saugleitung angeschlossen. Beim Einlauf liegt ein Saugöffner, und die Nasen- oder Messertrommel arbeitet mit vor- und nachgelegten Siebtrommelpaaren zusammen. Es folgt 1 Schläger zwischen 2 Siebtrommelpaaren und 1 Wickelapparat.

Die Schlagmaschine (vgl. Fig. 6 in Bd. 1, S. 598) hat überall Kugellager bekommen. Da, wo gutes Material in streichender Weise verarbeitet wird, tragen die Schlagschienen Nadelsegmente (Kardenflügel).

Karden. Die Karden mit Trommeln und Deckeln (Fig. 12 in Bd. 1, S. 602) werden nur noch für Baumwollabfall und Wolle verwendet, für Baumwolle ausschließlich Karden mit wandernden Deckeln (Fig. 16 ff. in Bd. 1, S. 605). Die Deckelgarnitur muß während der Arbeit fortwährend gereinigt werden. In Fig. 3 dreht sich der Hebel d um i, angetrieben von a, b und c, und bringt die Bürste e in schwingende Bewegung. Beim Rückwärtsgang macht die Bürste eine Wendung durch die Lenker f und g, so daß sie dann die Deckelgarnitur nicht berührt. Zum Anschleifen der Deckelgarnitur muß die rückwärts laufende leere Garnitur unter der Schleifwalze eine Führung passieren, welche die zu schleifenden Garniturspitzen genau an erstere anstellt. Die Bürste i nimmt den Staub aus der Garnitur.

Strecken. Wichtig ist das Reinhalten der Streckzylinder. Deshalb wird über I, II, III, IV (Fig. 27 in Bd. 1, S. 607) ein über Rollen laufendes Putztuch und über diesem ein hin und her laufender Streichkamm angeordnet, welcher die abgestreiften Unreinheiten in sich aufnimmt. Die Kettenpression (Fig. 30 in Bd. 1, S. 608) wird vielfach durch direkte Gewichtbelastung[64] ersetzt, weil zuverlässiger. Die Gewichte werden durch Hubscheiben und eine Hebeschiene gemeinschaftlich gehoben, behufs Entlastung der Oberzylinder.

Vorspinnmaschinen. Der Spukwagen, wie er in Fig. 35 (Bd. 1, S. 610) gezeigt ist, hat dort eine lange Führung am Gestell, und sein Gewicht wird durch Gußprismen, welche, mittels Ketten über Rollen gehend, an ihm hängen, ausgeglichen. Der Reibungswiderstand in den Führungen ist bedeutend. Rieter hat deshalb nach Fig. 4 vertikale Schwingend angeordnet, welche am Fuß Bogensegmente s tragen. Am oberen Ende derselben drehen sich die horizontalen Schwingen a. Sie stützen mit der Schneide c den Spukwagen. Die Gewichte d balancieren das Wagengewicht. – Die Ausrückung eines Stirnrades bewirkt die Trennung von Haupt- und Wagenantrieb. Der Spukwagen kann bei abgestellter Spule in die Anfangstellung gebracht werden. Das Differentialgetriebe zur Spulbewegung hat nur Stirnräder, deren Büchsen im gleichen Sinn sich drehen wie die Achsen in denselben, behufs Reibungsverminderung.

Ringspinnmaschinen. Die Herstellung der Schußwindung auf nackte Spindeln ist nur möglich, wenn die Spindeltouren beim Anwinden und Schlußwinden reduziert werden, da dann bei Normalgeschwindigkeit infolge zu großer Läuferreibung gegenüber der treibenden Komponente der Faden reißt. Der Spindelantrieb wird mittels Elektromotor variabel gemacht.

Die Elsässische Maschinenbaugesellschaft baut einen Antrieb mit Drehstrommotor. Durch Drehen eines Handhebels wird der Anlaßwiderstand so reguliert, daß die kleinere Anfangs- und Endgeschwindigkeit und die größte Tourenzahl bei der Hauptwindung vorhanden sind [1]. Bewegliche Fadenleiter und Zylinderneigung gegen 60° geben gleichmäßigen Ballon und Drahtübertragung bis in den Zylinderklemmpunkt.

Brown Boveri in Baden und J.J. Rieter, Winterthur, haben den Motor mit selbsttätiger Geschwindigkeitsänderung gebaut [2].

Elektrischer Antrieb der Spinnereimaschinen. Alle Maschinen für die Baumwollspinnerei können elektrisch angetrieben werden. Das geschieht mit Drehstrommotoren für Einzelantrieb. Meist überträgt ein Riemen die Umdrehungen vom Motor auf die Hauptwelle. Jener wird so placiert, daß er unter dem Maschineneinlauf (Oeffner, Schlagmaschine, Karde) oder am Kopf steht, behufs Platzersparnis (Strecke, Vorspinnringspinnmaschine).


Literatur: [1] Leipziger Monatschrift für Textilindustrie 1905, Nr. 10. – [2] Ebend. 1906, Nr. 2, und 1907, Nr. 1.

O. Boßhard.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 63-65.
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Faksimiles:
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