Ketten [1]

[448] Ketten, zur Aufnahme und Uebertragung von Zugkräften, bieten gegenüber Zugstangen und Seilen vollkommene Gelenkigkeit und die Möglichkeit[448] einer Verzahnung. Nach ihrer Verwendung in der Technik unterscheidet man Kran-, Last-, Anker-, Förder-, Transport- und Treibketten, nach ihrem Bau folgende Arten:

Glieder- oder Schakenketten bestehen aus ovalen Gliedern, Schaken, von Schweißeisen mit 3500 kg/qcm Zugfestigkeit und 12–20% Dehnung. Die Rundeisenstäbe werden dazu in Längen geschnitten, jedes Stück U-förmig gebogen, in das vorige Glied eingehängt, mit den Enden übereinandergebogen und zusammengeschweißt. Die Handarbeit der Kettenschmiede kann durch Maschinen [1] teilweise unterstützt werden. Die Schweißstelle liegt am Kopfende [2], bei dicken Ketten an der Seite. Genau gleiche Teilung oder Baulänge (d.i. die innere Länge eines Gliedes) erhalten die kalibrierten Ketten durch Nachschmieden und Einschlagen im Gesenk. Die gewöhnlichen, kurzgliedrigen Ketten, Fig. 1, wiegen 2,25 d2 kg/m für d cm Stärke und dienen hauptsächlich als Kranketten. Die langgliedrigen Ketten, Fig. 2, wiegen 1,9 d2 kg/m und eignen sich zu Förderketten bei Kettenbahnen und Halteketten für Seezeichen. Die in der Landwirtschaft gebräuchlichen Ketten mit verschränkten Gliedern lassen sich leichter, ohne zu sperren, durch Ringe ziehen.

Man berechnet die Ketten auf Zug in den beiden parallelen Schenkeln der Glieder mit dem Querschnitt 2 · π d2/4 für 637 kg/qcm Zugspannung ohne weitere Berechnung der Biegungen [3]. Führt man die Zugkraft Q kg = 637 · 2 π d2/4 in t ein, so erhält man die einfache Formel d cm = √(Q t). Für Abnutzung (durch Witterung und Reibung, auch in Rücksicht auf jährliches Glühen zum Zweck der Untersuchung auf Anbrüche) gibt man bis 3 mm zu dem berechneten Werte von d zu. Die Spannung bei der Prüfung der Kette in Längen von 25 m [4] beträgt 1350 kg/qcm; die Zugfestigkeit, geprüft an Stücken von 3–5 Gliedern, ist 2400 kg/qcm. Bei der Berechnung von Ketten, die starken Stößen ausgesetzt sind, geht man mit der Zugspannung bis auf die Hälfte des normalen Wertes hinab, so daß d cm = √(2 Q t) wird. Die Eisenstärke geht von 5–26 mm um 1 mm aufwärts, von 26–30 um 2, von 33–39 und 43–52 mm um –3 mm, oder auch bis 100 um 2 mm. Man unterscheidet im Preise: gewöhnliche Handelsketten, ungeprüfte Ketten, Best-Kranketten, Best-Best-Kranketten und adjustierte Ketten.


Ketten [1]

Kalibrierte oder adjustierte Ketten erhalten genau gleiche Teilung, damit sie sich in ein verzahntes Kettenrad passend einlegen. Sie längen sich jedoch mit der Zeit durch Abnutzung und bleibende Streckung. Um letztere möglichst auszuschließen, beansprucht man den Querschnitt 2 π d2/4 der Kette nur auf 400–425 kg/qcm; hieraus folgt für Q t Zugkraft die Eisenstärke d cm = √(1,5 Q t). Um die Abnutzung an den Berührungsstellen der Glieder möglichst zu beschränken, vermeidet man gern entgegengesetzte Biegungen der Kette und besonders Ablenkungen in zweierlei Ebenen; für große Kräfte, über 4 t, wählt man trotz des höheren Preises besser Gelenkketten. Die Teilung schwankt zwischen 2,6 d und 3,7 d.


Ketten [1]

Stegketten, Fig. 3, als Ankerketten gebräuchlich, enthalten in jedem Gliede einen seit eingesetzten Steg zur Versteifung und zur Verhütung von Knotenbildungen. Sie wiegen 2 d2 kg/m und sind 20% teurer, aber auch tragfähiger als die offenen Ketten. Für 955 kg/qcm zulässige Zugspannung erhält man d


Ketten [1]

als erforderliche Eisenstärke einer Stegkette. Die Probebelastung beträgt 1800, die Zugfestigkeit 2700 kg/qcm.


Ketten [1]

Die Klattesche Walzkette ist aus Flußeisen, durch einen Walzprozeß gebildet und durch Stanzen und Pressen vollendet [5]. Fig. 4 veranschaulicht, wie ein zuvor auf Kreuzprofil ausgewalzter Stab zwischen vier nach der Kettenform ausgefrästen Walzen, deren vorderste in Fig. 4 weggelassen ist, auf Kettenform gebracht wird. Die Glieder hängen noch zusammen und sind von einem dünnen Grat ausgefüllt und umgeben; in den Zwickeln sitzen Materialknoten. Der Grat wird danach mit besonderen Stempeln ausgestanzt, die Glieder durch Torsion voneinander abgetrennt. Die Enden jedes Gliedes werden darauf durch Pressen gerundet und dabei an den Enden etwas höher als breit gehalten, in Rücksicht auf die Abnutzung an den Berührungsstellen. Durch Stauchen und Pressen erhalten die Glieder schließlich ihre normale Gestalt. Aus einem[449] 15 m langen Rohstabe entstehen Kreuzstäbe von 30–40 m und Ketten von etwa 50 m Länge. Die Bruchfestigkeit der Walzketten beträgt 5000–7500 kg; qcm.

Eine Transportkette aus Flacheisen, Fig. 5, mit Tragplatten dient zur Abführung warmer Eisenstücke [6]. Zerlegbare Treibketten, Fig. 6 und 7, von A. Stotz-Kornwestheim, bestehen aus schmiedbarem Guß. Die Glieder laden sich, wenn sie auf etwa 60° gegen einander geneigt werden, nach einer Seite abschieben. Diese Ketten dienen als Förderketten für Elevatoren und Transporteure. Sie erhalten nach Bedarf geeignete Ansätze (Fig. 7) zur Beteiligung der Becher, Schaukeln, Trage- oder Schiebebretter u.s.w. Als Betriebskraft P von 30–1300 kg wird ein Achtel der für die Kettenart ermittelten Zugfestigkeit gerechnet. Die Preise schwanken um 0,015 · P + 2 ℳ./m. Die Stahlbolzenkette, Fig. 8, von Stotz, enthält Schlitzlöcher zum Festhalten der eingekerbten Bolzen. Bei Schwenkung um 90° läßt sich das Kettenglied verschieben und der Bolzen herausziehen. Sie übertragen 200–1500 kg bei achtfacher Sicherheit mit 24 bis. 150 mm Teilung. Gliederketten von Gußeisen für Zäune lassen sich mit Kernstücken gießen [7].

Gelenk- oder Laschenketten (Gallsche Ketten), Fig. 9 und 10, enthalten 2–12 eiserne Platten oder Laschen, versetzt auf den gedrehten Zapfen von Stahlbolzen, deren Enden mit oder ohne Unterlagscheibe vernietet oder versplintet sind. Sie eignen sich besonders zu Harken Kranketten. Da die Gelenke sämtlich parallel liegen, läßt sich die Kette nicht seitwärts aus der einen Ebene, in welcher sie zu führen ist, ablenken. Sie verdanken ihre Ausbildung und Einführung besonders der Firma Zobel, Neubert & Co. in Schmalkalden; mit deren Abmessungen, ziemlich übereinstimmend ist folgende ausführliche Tabelle über Gelenkketten von Otto Kötter in Barmen für Q als zulässige Belastung.


Ketten [1]

Das Gewicht beträgt für Q t Tragkraft 4 Q kg/m, der Preis ca. 2,5 Q + 5 ℳ. für Q < 1 und 2,5 Q + 10 ℳ. darüber, wechselnd mit der Ausrüstung in Material und Bolzenverschluß. Die Spannung in den Platten seitlich vom Zapfenauge kommt auf 800–900 kg/qcm bei gleichmäßiger Lastverteilung; bei der Durchbiegung eines Bolzens unter der Wirkung des Zahndruckes am Kettenrade steigt sie an den inneren Platten und nimmt außen ab [8].[450]

Fleyerketten, Fig. 11, die zum Tragen der Gegengewichte für die Spulenbank an Vorspinnmaschinen (Fleyern) benutzt werden, entbehren des mittleren Zwischenraumes für die Radzähne, ebenso die Panzerketten, Fig. 12; sie erhalten abwechselnd 1 und 2 bis 4 und 5 Platten oder 2 und 2 Platten, bei 8–17 mm Teilung. Bogenketten, Fig. 13, mit 17–30 mm Teilung lassen sich über runde Zähne oder Triebstöcke legen.

Als Treibketten mit fortwährender Bewegung der Gelenke für Geschwindigkeiten bis zu 3 m/sk dienen die Ketten, Fig. 14, von Zobel, Neubert & Cie. oder von Kötter mit Büchsen über den Bolzen und dadurch vergrößerter Auflagefläche, wobei der Bolzen mit dem einen, die Büchse mit dem folgenden Plattenpaar fest verbunden ist. Ketten für Zugkräfte von 2 t an erhalten hohle Bolzen- und Doppelplatten, von 4 t an dreifache Platten.


Ketten [1]

Fahrradketten sind entweder Rollenketten, Fig. 15, mit lose auf die Bolzenhülse gefleckten Stahlrollen, oder Blockketten, Fig. 16, mit breiten Mittelgliedern und Laschen, oder Doppelrollenketten, Fig. 17, mit kurzen Außenlaschen [9]; die beiden letzten haben zwei Kettengelenke auf eine Zahnteilung.

Renolds geräuschlose Zahnkettengetriebe, Fig. 18, werden für Deutschland von Friedrich Stolzenberg & Co. in Reinickendorf (West) hergestellt und für jeden Einzelfall angegeben. Die Laschen legen sich ebenflächig in die Verzahnung der Räder [10]. Der Seitenführung durch Bordscheiben an einem der beiden Räder wird die Mittenführung vorgezogen, wobei die mittelsten Glieder m der Kette auf beiden Rädern in einer Rille laufen. Sie kommen hauptsächlich zur Verwendung bei elektrischen Antrieben an Werkzeugmaschinen, Pumpen, Kompressoren u.s.w. Die Räder erhalten 15–90 (auch 13) Zähne, und bis 6,5 m/sk Umfangsgeschwindigkeit. Der Wellenabstand soll das 1,5- bis 3,5 fache des größeren Raddurchmessers sein; lotrechter Kettenlauf ist zu vermeiden. Nach dem Auflegen wird die Kette durch einen Spanner (mit Rechts- und Linksgewinde) angezogen und mit dem Schlußbolzen geschlossen, nötigenfalls mit einem Schlußglied mit gekröpften Doppellaschen bei ungerader Gliederzahl.[451] Im Betrieb ist die Kette mit dickem Oel zu schmieren, bei Staub mit Flockengraphit und in einem Gehäuse einzuschließen.


Ketten [1]

Renolds neue Zahnkette, Fig. 19, enthält an jedem Bolzen zwei gehärtete Lagerschalen, die über die ganze Breite anliegen und je in einer Gliedschar festsitzen, wodurch ihre Leistung und Dauer erhöht wird. – Die Morsekette, Fig. 20, von der Westinghouse-Brems-Gesellschaft in Hannover ersetzt die Bolzenzapfen durch Schneide und Pfanne, die im gerade gestreckten Kettenlauf mit Flächenberührung anliegen [11].

Drahtketten werden durch besondere Maschinen [12] hergestellt. Die Ketten der Wanduhren mit seitlich liegender Fuge sind nur ein Drittel bis ein Viertel so tragfähig als geschlossene Ketten. Hakenketten, Fig. 21 (nach Vaucanson), tragen 4 d2 kg bei d mm Drahtstärke und haben 4 d Baulänge bei 7 d äußerer Breite. Fester sind die geknoteten Ketten, z.B. die Triumphkette, Fig. 22, und die Schleifenkette, Fig. 23, von Schlieper. Uhrketten, und zwar Ankerketten mit länglichen Gliedern, Erbsketten mit kreisrunden, Panzerketten mit verwundenen und gepreßten Gliedern sind gelötet; bei den »gefangen gelöteten« Ketten sind je zwei Glieder durch eine gemeinsame Lötung fest verbunden.


Literatur: [1] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1905, S. 1651. – [2] Ebend., 1891, S. 879. – [3] Ebend., 1903, S. 888. – [4] Ebend., 1905, S. 2054. – [5] »Stahl und Eisen« 1894, S. 660; 1895, S. 564; 1896, S. 152; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1894, S. 944; 1895, S. 1146. – [6] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1904, S. 1407. – [7] Dürre, Eisenhütten, Leipzig 1891, III, S. 19. – [8] Keller, Triebwerke, München 1904, und Zeitschr. d. Oesterr. Arch.- u. Ing.-Ver. 1878. – [9] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1900, S. 340 u. 342. – [10] Ebend. 1904, S. 1742. – [11] Ebend. 1905, S. 1567. – [12] Haedicke, Technologie des Eisens, Leipzig 1900, S. 305; D.R.P. Nr. 128491 u.a.

Lindner.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7.
Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7.
Fig. 8.
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Fig. 9., Fig. 10.
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Fig. 11.
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Fig. 12., Fig. 13.
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Fig. 14.
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Fig. 16.
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Fig. 15., Fig. 17., Fig. 18.
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Fig. 19.
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Fig. 20., Fig. 21.
Fig. 20., Fig. 21.
Fig. 22., Fig. 23.
Fig. 22., Fig. 23.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 448-452.
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