Anjou

[535] Anjou (spr. angschu), ehemalige franz. Provinz (s. die Geschichtskarte bei »Frankreich«), von Maine, Bretagne, Poitou und Touraine umgeben, zerfiel in die Landschaften A. im engern Sinn und Saumurois und war 8975 qkm (163 QM.) groß mit etwa 400,000 Einw., umfaßt hauptsächlich das jetzige Depart. Maine-et-Loire. Hauptstadt war Angers. – A. wurde einst von den Andekaven (Andecavi) bewohnt und von den Römern unterworfen. Später herrschten hier Grafen, deren Geschlecht 1060 erlosch. Besitztümer und Titel gingen durch eine Schwester des letzten männlichen Sprößlings an das Haus Gatinais über, dem Gottfried V., der Ahnherr der Plantagenets (s. d.), angehörte. Er hinterließ A. und die Normandie 1151 seinem ältern Sohn, Heinrich, der 1154 als Heinrich II. den Thron von England bestieg, wo seine Nachkommen bis 1485 regierten (vgl. Norgate, England under the Angevin kings, Lond. 1887). A. ging schon 1204 unter Johann ohne Land mit der Normandie und fast allen britischen Besitzungen in Frankreich an Philipp II. August verloren. König Ludwig IX. belehnte damit seinen Bruder Johann und nach dessen Tod 1246 seinen zweiten Bruder, Karl, Grafen von Provence, der später König von Neapel und Stammvater des ältern Hauses A. daselbst wurde. Seine Enkelin Margarete brachte die Grafschaft A. ihrem Gemahl, Karl von Valois, dem Bruder Philipps IV. von Frankreich, zu, und dieser erhob sie 1297 zur Pairie. Margaretens und Karls Sohn ward 1328 als Philipp VI. König von Frankreich, wodurch die Linie Valois auf den französischen Thron gelangte und zugleich A. wieder mit der Krone vereinigt wurde. König Johann II. verlieh es als Herzogtum seinem zweiten Sohn, der als Ludwig I. 1382 König von Neapel und Stammvater des jüngern Hauses A. daselbst wurde. Das Herzogtum gehörte nun den Königen von Neapel, bis es nach dem Tode Renés II. (1480) durch Ludwig XI. für immer mit der französischen Krone vereinigt wurde. Seitdem führte gewöhnlich ein Prinz von Frankreich den Titel eines Herzogs von A., so Heinrich III. vor seiner Thronbesteigung, dessen jüngerer Bruder Franz, dann Philipp, zweiter Sohn des Dauphins und Enkel Ludwigs XIV., der 1701 als Philipp V. König von Spanien ward.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 535.
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