Claudĭus [1]

[180] Claudĭus (Claudia gens). Es gab in Rom zwei Claudische Geschlechter, ein plebejisches, von dem am bekanntesten die Marceller (s. Marcellus) sind, und ein patrizisches, das nach der Tradition im 3. Jahrh. der Stadt aus dem Sabinischen in Rom einwanderte und seitdem in der Geschichte Roms eine bedeutende Rolle spielte, in der Überlieferung von Anfang an sich hervortuend durch aristokratischen Stolz und starre Opposition gegen die Gleichheitsbestrebungen der Plebejer. Merkwürdig sind besonders:

1) Appius C. Sabinus, aus Regillum im Sabinerland, wo er Atta Clausus genannt worden war, der Ahnherr des Geschlechts, siedelte, von seiner Vaterstadt als Römerfreund angefeindet, um 504 v. Chr. nach Rom über, wo er mit seinen Begleitern eine eigne Tribus, die Claudische, bildete.

2) Appius C., Sohn des vorigen, wurde nach der am meisten verbreiteten Überlieferung 451 v. Chr., als auf seinen Antrag statt der Konsuln und der übrigen Magistrate Dezemvirn zur Auszeichnung der Gesetze ernannt wurden, selbst zum Dezemvir gewählt und bemühte sich als solcher zunächst eifrig um die Gunst des Volkes. Für das Jahr 450 wiedergewählt, zeigte er nunmehr seine wahre Gesinnung, indem er sich zum Gewaltherrscher aufwarf und auch 419 nebst seinen Kollegen widergesetzlich sein Amt weiterführte. Seine fortgesetzten Gewalttaten aber und schließlich der Frevel gegen Virginia (s.d.) riefen einen Aufstand hervor, der seinen Sturz herbeiführte. C. gab sich im Gefängnis selbst den Tod.

3) Appius C. Cäcus (der Blinde) bekleidete 312 v. Chr., noch ehe er Konsul gewesen war, das wichtige Amt des Zensors, ernannte als solcher Nachkommen von Freigelassenen zu Senatoren und nahm die Niedriggebornen unter die Tribus auf, um sich dadurch sowohl im Senat als in den Tributkomitien Einfluß zu sichern; auch baute er eine große Wasserleitung und die Appische Straße, die erste Kunststraße Roms. Nach wiederholter, an kriegerischen Erfolgen reicher Verwaltung des Konsulats im höhern Greisenalter erblindet, zog er sich zurück, ließ sich aber, als 280 Pyrrhus nach seinem Sieg bei Heraklea den Kineas nach Rom sandte, um den Römern Freundschaft anzubieten, in den Senat tragen und bestimmte diesen, der sich schon willfährig gezeigt hatte, durch eine berühmte, noch in Ciceros Zeit vorhandene Rede zu dem Bescheid: erst müsse Pyrrhus den Boden Italiens geräumt haben, dann möge er um Frieden bitten. C. wird von den Alten auch als der Begründer der Rechtswissenschaft gerühmt.

4) Publius C. Pulcher, Sohn des vorigen, war Konsul 249 v. Chr., befehligte die römische Flotte, als die Römer während des ersten Punischen Krieges Lilybäum belagerten, griff unüberlegt die karthagische Flotte vor Drepana an und erlitt eine schwere Niederlage. Deshalb angeklagt, entging er der Verurteilung nur durch einen Zufall, starb aber kurz darauf.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 180.
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