Dendra

[635] Dendra (Dendera), Dorf im Distrikt Keneh der ägypt. Provinz (Mudirieh) Keneh, eine Tagereise nördlich von Theben, am linken Nilufer, Keneh gegenüber, zählt (1897) 8895 Einw., wozu noch 1383 nicht seßhafte Beduinen kommen. Der Name stammt von der alten ägyptischen Stadt Tentore (griech. Tentyris), deren großartige Tempelruinen in geringer Entfernung auf einer Bergebene am Rande der Wüste liegen. Berühmt ist unter denselben besonders ein der Hathor, der ägyptischen Liebesgöttin, gewidmeter Tempel, der, zur Zeit der 6. Dynastie entstanden, später umgebaut, seine gegenwärtige Gestalt, eine Kopie des uralten Heiligtums, unter den letzten Ptolemäern und ersten römischen Kaisern erhielt. Das Gebäude, an dessen Vollendung 200 Jahre gearbeitet wurde, ist vortrefflich erhalten und ausgezeichnet durch Großartigkeit und Reinheit der Architektur wie durch Reichtum und saubere Ausführung der Bildwerke und Hieroglyphen. Wände und Säulen (s. Tafel »Architektur I«, Fig. 17) sind mit Reliefs und Inschriften bedeckt. Die Wandskulpturen im Innern stellen die im Opfern begriffenen Kaiser Augustus, Tiberius, Claudius und Nero in durchaus altägyptischer Weise vor; durch das Portal gelangt man in eine unter Augustus begonnene, unter Nero vollendete imposante Halle, die von 24 Säulen in vier Reihen getragen wird und im Innern 27,5 m hoch und 42,4 m lang ist. Darauf folgen drei Säle von verschiedener Größe und ein Adyton, in dem die heiligen Barken verwahrt wurden, und das von elf Seitengemächern nebst einem Hauptgemach umgeben ist. Der ganze Tempel hat 81,5 m Länge und 34 m Breite. Neben der westlichen Ecke des großen Baues liegt ein kleines, unter Nero vollendetes Heiligtum der Isis, zu dessen Pylonen ein Dromos von 170 Schritt Länge führte, und 90 Schritt nördlicher, heute halb verschüttet, das Mamisi (Geburtshaus), dem jungen Horus gewidmet. An der Decke einer kleinen Kapelle, die auf dem Dache des Haupttempels sich befindet, fand man den berühmten Tierkreis, der sich seit 1822 im ägyptischen Museum zu [635] Paris befindet. Daß schon in uralter Zeit hier ein Tempel der Hathor stand, geht aus verschiedenen Inschriften hervor, aber der Bau des jetzigen ist erst unter den letzten Ptolemäern begonnen (so die Krypten), namentlich unter Kleopatra weitergeführt und unter den römischen Kaisern bis Nero vollendet worden. Vgl. Mariette, D., description du grand temple (Par. 1873–75, 4 Bde.); Dümichen, Baugeschichte des Denderatempels (Straßb. 1877); Riel, Der Tierkreis und das feste Jahr von D. (Leipz. 1878).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 635-636.
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