Dnjepr

[68] Dnjepr (bei den Alten Borysthenes, türk. Usu und Usy, tatarisch Exi, im 4. Jahrh. Danapris, im 16. Lussem genannt), nach der Donau der größte Strom des Schwarzen Meeres und nach der Wolga der beträchtlichste Fluß des europäischen Rußland, entspringt, wie die Wolga und Düna, auf dem Waldaigebirge, und zwar aus den beim Dorf Klezewo, Kreis Bjeloi, Gouv. Smolensk, 283 m ü. M. gelegenen Sümpfen. Er läuft anfangs von N. nach S., wendet sich dann gegen SO. und endlich wieder nach SW. und bewässert die Gouvernements Smolensk, Mohilew, Minsk, Tschernigow, Kiew, Poltawa, Cherson, Jekaterinoslaw und Taurien. In mehreren Armen (Girly) ergießt er sich unterhalb der Stadt Cherson in den sich mit dem Mündungssee des Bug vereinigenden, 62 km langen Liman, der nach ihm benannt und von ihm gebildet ist, und der mit dem Schwarzen Meer bei Otschakow und Kinburn in offener Verbindung steht. Der D. hat einen Lauf von 2265 km Länge. Sein Stromgebiet verbindet durch die Zuflüsse 14 Gouvernements, bietet der Schiffahrt eine Linie von 6400 km und umfaßt ein Areal von 523,676 qkm (9510 QM.). Seine Ufer sind besonders auf der linken Seite hoch und bestehen aus vielen z. T. aneinander hängenden Kreide-, Ton- und Mergelhügeln; das Flußbett ist 90–360 m breit, an der Mündung sogar 15 km. Von Dorogobush bis Jekaterinoslaw kann er ohne Gefahr von Fahrzeugen und Flößen befahren werden; unterhalb Jekaterinoslaw, auf einer Strecke von 37 km befinden sich die berüchtigten Porogen (Stromschnellen) des D., welche die Schiffahrt sehr erschweren, obgleich in letzter Zeit Felsen gesprengt und Kanäle im Strombett angelegt sind. Solcher Porogen gibt es im ganzen 9, wovon einige großartige Naturszenerien, ähnlich dem Rheinfall von Schaffhausen, darbieten, und unter denen die drei gefährlichsten eine Fallhöhe von 3,6–2,7 m haben. Nach ihnen sind die Saporoger, ein Teil der Ukrainischen Kosaken (s. Kosaken), benannt. Der Fluß ist im ganzen reißender und tiefer als die Wolga oder der Don, doch versandet er zum Nachteil der Schiffahrt immer mehr, auch hat er viele Inseln, besonders zwischen Kiew und Jekaterinoslaw. Sehr viele Schiffbrücken führen über den Fluß, eine feste Brücke nur bei Kiew; außerdem aber wird die Kommunikation durch eine Menge Fähren und Fährboote unterhalten. Die Schiffahrtsperiode schwankt auf dem D. zwischen 201 und 307 Tagen und dauert im zehnjährigen Mittel bei Smolensk 214, Kiew 234, Cherson 277 Tage. Von den am D. liegenden und an der Schiffahrt auf ihm beteiligten zahlreichen Handelsstädten sind die wichtigsten: Dorogobush, Smolensk, Orscha, Kopys, Mohilew, Staryj Bychow, Rogatschew, Rjetschiza, Kiew, Tscherkassy, Krjukow, Krementschug, Werchne-Dnjeprowsk, Jekaterinoslaw, Alexandrowsk, Berislaw, Cherson, Aleschki und Otschakow.

Unter den zahlreichen Nebenflüssen des D. sind die wichtigsten rechts: der Drut, die schiffbare Beresina (s. d.), der Pripet (ebenfalls schiffbar) mit dem südlichen Styr und Goryn, der Teterew und der Ingulez Links empfängt der D. die Sosh, die bedeutende Desna mit dem Seim, die Sula, den Psiol, die Worskla, den Orel und die Samara. Der D. ist sehr fischreich und hat größere und schmackhaftere Fische als der Don; der Hauptfischfang findet zwischen der Mündung und Cherson statt. Durch den Dnjepr-Bugkanal (s. Königskanal) und durch das Beresina- und Oginskische Kanalsystem (s. d.) ist eine wenn auch mangelhafte Verbindung mit der Ostsee hergestellt. Die Schiffahrt auf dem ganzen Stromsystem ist recht ausgedehnt; aus sämtlichen Häfen wurden 1900: 161,259,000 Pud Waren verfrachtet. Davon entfielen auf Bauholz in Flößen 97,608,000 Pud, auf Bau- und Brennholz in Schiffen 19,861,000, auf Getreide 29,853,000, Salz 2,827,000 Pud. Schiff- und Barkenbau treibt man in Homel, Ljubitsch, Brjänsk und dem Dorf Wetka. Den Passagierverkehr auf dem D. und seinen Nebenflüssen unterhalten gegenwärtig acht Dampferlinien, und zwar: 1) die Linie Kiew-Krementschug, 2) Krementschug-Jekaterinoslaw, 3) Kiew-Mohilew, 4) Mohilew-Orscha, 5) Kiew-Tschernigow, 6) Kiew-Pinsk, 7) Kiew-Homel, 8) Cherson-Alexandrowsk. Die Dampfer verkehren 1–3 mal täglich. S. Karte »Mittleres Rußland« bei Art. »Russisches Reich«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 68.
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