Kiew [1]

[899] Kiew (besser Kijew, poln. Kijow), russ. Gouvernement, begreift den größten Teil der ehemaligen polnischen Ukraine und die Stadt K. mit ihrem Kreisgebiet in sich, grenzt im N. an das Gouv. Minsk, im O. an Poltawa und Tschernigow, von denen es durch den Dnjepr geschieden wird, im S. an Podolien und Cherson und im W. an Wolhynien und Podolien und umfaßt 50,999,5 qkm (926 QM.). Das Land ist im allgemeinen flach; doch findet man malerische Punkte längs des Dnjepr, dessen Ufer an einigen Stellen gegen 50 m Höhe haben. Im Kreis von Tschigirin trennt sich eine kleine Reihe Hügel vom Fluß und bildet, nordwestlich bis nach Podolien sich erstreckend, leichte Bodenwellen, während der südlichste Teil eine große Steppe ist. Der bedeutendste Fluß ist der Dnjepr, der zwar nur die Grenzen berührt, zu dessen System aber die Flüsse, die das Land bewässern, gehören, wie Ush, Teterew, Irscha, Sdwish, sämtlich nicht schiffbar. Das Klima ist mild; die mittlere Jahrestemperatur beträgt +7,1°, die Niederschlagsmenge 568,5 mm. Die Bevölkerung beziffert sich auf (1897) 3,576,125 Köpfe (70 auf 1 qkm) und besteht hauptsächlich aus Kleinrussen. Dem Religionsbekenntnis nach gab es 1897: 84 Proz. Griechisch-Katholische, 12 Proz. Juden, 3 Proz. Römisch-Katholische. Vom Areal kommen auf Ackerland 57 Proz., auf Wiesen 16, auf Wälder 20 und auf Unland 7 Proz. Hauptbeschäftigung ist der Landbau, namentlich der Getreidebau. Die Ernte ergab 1902 759,000 Ton. Weizen, 747,000 T. Roggen, 403,000 T. Hafer, 185,000 T. Hirse, 148,000 T. Gerste und 82,000 T. Buchweizen. Daneben werden jedoch auch Hanf und Lein, Gemüse, Obst, Tabak und besonders Zuckerrüben angebaut. In dieser Kultur nimmt K. in ganz Rußland die erste Stelle ein. 1902 wurden 2270 Mill. kg Rüben geerntet. Der Viehbestand ist ansehnlich; man zählte 1902: 612,160 Stück Rindvieh, 911,000 grobwollige und 6000 feinwollige Schafe, 425,400 Schweine und 21,700 Ziegen. Die Pferdezucht wird (1901) in 88 Gestüten betrieben, die namentlich gute Reitpferde liefern. Im ganzen Gouvernement zählt man 420,600 Pferde. Die Industrie ist kräftig entwickelt. 1895 gab es 654 gewerbliche Etablissements mit über 40,000 Arbeitern und einem Produktionswert von 80 Mill. Rubel. Über die Hälfte entfällt davon auf die Zuckerindustrie, die weitaus der wichtigste Gewerbszweig ist. Daneben bestehen zahlreiche Mühlen. Branntweinbrennereien, Tabakfabriken, in der Stadt K. auch Maschinenfabriken. Der Handel befindet sich hauptsächlich in den Händen der sehr zahlreichen jüdischen Bevölkerung. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind Korn und Zucker. Die Exarchie von K. und Galitsch datiert von den Zeiten des heil. Wladimir her und ward die erste Rußlands. Das Gouvernement zerfällt in zwölf Kreise: Berditschew, Kanew, K., Lipowetz, Radomysl, Skwira, Swenigorod, Taraschtscha, Tscherkassy, Tschigirin, Uman und Wassilkow. – Das gegenwärtige Gouvernement K. ist nicht mit dem von Peter d. Gr. 1708 gebildeten zu verwechseln. Letzteres bestand aus der ganzen östlichen Ukraine und einem großen Teil von Mittelrußland mit den Städten Orel, Kursk u. a. (im ganzen 55). 1782 wurde die Statthalterschaft K. aus Teilen des jetzigen Kiewschen, Poltawaschen und Tschernigowschen Gouvernements gegründet; 1796 erhielt sie die jetzige Form.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 899.
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