Eleusis

[702] Eleusis, nächst Athen der wichtigste Ort des alten Attika, an der Nordküste des gleichnamigen Golfs, ist jetzt ein Dorf, Station der Eisenbahn Athen-Olympia,[702] das außer Trümmerhaufen nur den Namen (Levsina) von seiner Herrlichkeit bewahrt hat (s. Karte »Umgebung von Athen«). In ältern Zeiten war E. Hauptort eines kleinen Königreichs, ward aber unter Eumolpos von den Athenern unterworfen. Demeter und Persephone (Kora) hatten an dem die Stadt beherrschenden Burghügel ihren berühmten Mysterientempel, der zwar von den Persern zerstört, aber durch Perikles nach den Plänen des Iktinos prächtiger und größer, mit 54 m Grundfläche, wieder aufgebaut, um 311 v. Chr. vollendet wurde. Zuletzt wurde er von Alarich zerstört. 1882–87 ließ die Griechische Archäologische Gesellschaft die Stätte ausgraben, wobei auch Reste dreier älterer und eines jüngern Demetertempels, ein Buleuterion, ein kleines Plutonion u.a.m. gefunden wurden (vgl. D. Philios, E. et ses mystères, mit Plan). Nördlich von diesem Tempel, zu dem zwei Propyläen führten, stand ein zweiter der Artemis Propyläa; daneben entsprang die Quelle Kallichoros, in deren Umgebung nach attischer Sage das erste Getreide gewachsen war. – Die hier gefeierten Eleusinischen Mysterien galten als die ältesten und ehrwürdigsten nicht nur der gleichnamigen, sondern aller Mysterien überhaupt. Sie bezogen sich auf die drei chthonischen Gottheiten Demeter, Kore-Persephone und Jakchos-Dionysos. Ihre Gründung führt man auf Demeter (s. d.) selbst zurück, den Ritus auf Eumolpos (s. d.). Bei seinen Nachkommen, den Eumolpiden, und in der Familie der Keryken (s. Keryx) waren die Hauptämter erblich: jenen gehörte der Oberpriester, der Hierophant (s. d.), an, diesen der Hierokeryx (heilige Herold); andre wichtige Beamte waren der Daduchos (Fackelträger) und der Epibomios (Altarpriester). Wie der gesamte Staatskult, unterstanden auch die eleusinischen Mysterien der Aussicht des Archon Basileus (s. Archonten). Aufnahme fanden alle Griechen, und zwar auch Frauen und Kinder, später auch Römer, soweit nicht an einem schwere Schuld haftete. Die erste Weihe der durch den Mystagog (s. d.) Vorgestellten erfolgte bei den im Monat Anthesterion (Februar, März) am Tempel der Demeter und Kore in der athenischen Vorstadt Agrä begangenen kleinen Eleusinischen Mysterien, die jüngern Ursprungs waren; die hier Geweihten, die sogen. Mysten, nahmen dann mit gewissen Beschränkungen an den in der Mitte des Monats Boëdromion (Anfang Oktober) in E. gefeierten neuntägigen großen Eleusinischen Mysterien teil, um übers Jahr durch die letzte Weihe Epopten, »Schauer« der eigentlichen Geheimnisse, zu werden. Die ersten Tage der großen Mysterien wurden in Athen mit Sühne und Reinigungsgebräuchen und Opfern begangen; dann zogen Geweihte und Ungeweihte, die Priesterschaften und Behörden, mit dem Bild des Jakchoskindes und der vorher aus E. geholten Bilder der beiden Göttinnen an der Spitze, auf der 20 km langen heiligen Straße nach E. Hier fand zur Nachtzeit im Telesterion (Weihehaus) die eigentliche Feier mit großem Gepränge statt. Die Offenbarungen bei den Weihen, von denen es heißt, daß sie einen sittlichenden Einfluß übten, Trost in den Leiden des Lebens und für das Jenseits frohe Hoffnungen gewährten, erfolgten, wie es scheint, hauptsächlich durch symbolische Handlungen. Das Hauptstück war das sogen. Drama, Darstellungen der Schicksale der drei Götter, der Strafen der Bösen in der Unterwelt und des Lebens der Seligen im Elysischen Gefilde. Erst Kaiser Theodosius unterdrückte die Eleusinien. Vgl. Strube, Studien über den Bilderkreis von E. (Leipz. 1870; mit Supplement von Brunn, das. 1872); Nebe, De mysteriorum Eleusiniorum tempore et administratione publica (Halle 1886); Stengel, Griechische Kultusaltertümer (Münch. 1890); Rubensohn, Die Mysterienheiligtümer in E. und Samothrake (Berl. 1892); Foucart, Recherches sur l'origine et la nature des mystères d'E. (Par. 1895); Derselbe, Les grands mystères d'E. (das. 1900); Bloch, Der Kult und die Mysterien von E. (Hamb. 1896); Anton, Die Mysterien von E. (Naumb. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 702-703.
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