Makrokephalīe

[150] Makrokephalīe (griech., Großköpfigkeit), eine über das normale Maß hinausgehende Größe des Schädels, findet sich mit einem entsprechend großen Gehirn bei geistig hochbegabten Männern. Virchow nannte den durch ansehnliche Größe ausgezeichneten Schädel Kephalon und die Träger solcher Schädel Kephalonen. M. bezeichnet ferner einen krankhaften, meist angebornen Zustand, bei dem der Schädel durch Wasseransammlung (Wasserkopf, Hydrocephalus) oder durch abnorme Vergrößerung des Gehirns einen bedeutenden Umfang hat. Diese Verbildung kommt bisweilen bei Kretins (s. d.) vor und ist die Ursache unheilbaren Blödsinns. Endlich versteht man unter M. eine künstlich herbeigeführte Verunstaltung des Schädels. Hippokrates berichtete von einem Volk der Makrokephalen oder Langköpfe, das ursprünglich die Köpfe der Kinder, um ihnen ein edleres Aussehen zu geben, mit Bandagen in eine[150] längliche Form gepreßt habe; später sei diese künstliche Form bei dem Volk zur natürlichen geworden. Die gleiche Sitte, schon in der Kindheit den Kopf durch Pressung zu verunstalten, hat man bei mehreren Indianerstämmen Nordamerikas (namentlich den Chinook, den sogen. Flatheads, Fig. 1) sowie Südamerikas (z. B. den Omagua am Amazonenstrom) gefunden; auch fand man in alten Gräbern in Peru, in Chile, Bolivia, am Titicacasee, in den Gräbern der Aymara und der Huanca ähnlich verunstaltete Schädel; die Kariben auf den Antillen erzeugen bei ihren Kindern durch einen mit der Wiege verbundenen Kompressionsapparat eine keilförmige Deformation des Schädels.

Fig. 1. Künstlich geformter Flatheadindianerschädel.
Fig. 1. Künstlich geformter Flatheadindianerschädel.

Durch Einklemmen zwischen zwei Bretter wird in Celebes, durch Einschnüren in Binden auf den Philippinen der kindliche Schädel verunstaltet. Dieser Sitte liegt teilweise die Absicht zugrunde, dem Kopf eine für schön geltende Form zu geben; zum Teil wird die Verunstaltung unabsichtlich durch die Form der Wiege und des Tragens hervorgerufen. In einigen Provinzen Frankreichs herrscht ein ganz ähnlicher Gebrauch.

Fig. 2. Künstlich geformter Avarenschädel.
Fig. 2. Künstlich geformter Avarenschädel.

In der Krim, in Niederösterreich, in der Schweiz, bei Göttingen, bei Mainz hat man in alten Gräbern Schädel gefunden, die ganz deutliche Spuren einer mittels Binden herbeigeführten Verunstaltung des Schädels zeigten. Die in der Krim gefundenen Schädel sollen von Avaren oder Hunnen herrühren (Fig. 2). Ob durch die Zusammenpressung des Schädels und die Behinderung der Gehirnentwickelung die Geisteskräfte leiden, ist fraglich. Vgl. Gosse, Essai sur les deformations artificielles du crâne (Par. 1855).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 150-151.
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