Orang-Utan

[91] Orang-Utan (nicht Utang, Waldmensch, Meias, Majas, Pithecus satyrus Geoffr., s. Tafel »Affen I«, Fig. 1, und Tafel »Orientalische Fauna I«, Fig. 1), Affe aus der Familie der schmalnasigen Affen (Catarrhini) und der Unterfamilie der Anthropomorphen, 1,35 m hoch, klaftert mit den bis zu den Knöcheln herabreichenden Armen 2,4 m, hat einen kegel- oder pyramidenförmig zugespitzten Kopf mit starken, backenbartähnlichen Fleischwülsten auf beiden Wangen, weit vorstehender Schnauze, gerunzelten, stark aufgetriebenen Lippen, flach gedrückter Nase, kleinen Augen und Ohren und furchtbarem Gebiß, einen kurzen Hals mit zwei großen Kehlsäcken, die aufgeblasen werden können und von denen der größere alsdann 9 Lit. faßt, lange, bis zum Knöchel reichende Arme mit langen Händen und Fingern, aber kurzen Daumen, einen stark hervortretenden Bauch, verhältnismäßig schwache Beine, spärliche Behaarung auf Rücken und Brust, längere und reichlichere an den Seiten, bartähnliche im Gesicht; Handfläche und die Oberseite der Finger sind nackt, bläulich oder schiefergrau; das Haar ist dunkel rostrot. Alte Männchen sind größer, dichter und länger behaart als die Weibchen. Junge Orang-Utans sind namentlich auch in der Schädelbildung dem Menschen viel ähnlicher, ohne Schwielen auf den Wangen, bartlos, sonst aber reicher behaart und dunkler. Mit dem Alter tritt das Tierische immer mehr hervor. Die Stimme wird durch die Kehlsäcke sehr verstärkt, so daß das Gebrüll weithin hörbar ist. Der O. bewohnt Sumatra und Borneo, lebt in niedrig gelegenen, sumpfigen Wäldern, meist auf Bäumen, auf denen er geschickt und schnell in halb aufrechter Stellung von Ast zu Ast geht, und zwar auf den Knöcheln, nicht auf den Sohlen. Nachts ruht er in einem Nest (s. Tafel »Tierwohnungen I«, Fig. 2), das er 8–15 m über dem Boden aus Ästen und Laubwerk erbaut, aber selten längere Zeit benutzt. Am Tage sucht er Früchte, frißt aber gelegentlich auch Blätter, Knospen und Schößlinge. Nur selten steigt er auf den Boden herab, und niemals geht er aufrecht, es sei denn, daß er sich mit den Händen an höhern Zweigen festhalte. Den Menschen scheint er nicht sehr zu fürchten, und gelegentlich setzt er sich kräftig zur Wehr. Kein Tier greift ihn an, weil er stärker ist als alle. In der Gefangenschaft zeigt sich der junge O. gelehrig, anhänglich und verständig, aber niemals neckisch und lustig wie der Schimpanse, vielmehr ernst, still und gemessen, oft traurig. Der O. war schon den Alten bekannt; aber bis in die neueste Zeit wurde viel über ihn gefabelt, und man sprach von ihm fast wie von einem wilden Menschen. Die Javaner halten dafür, daß der O. aus der Vermischung von Affen mit indianischen Weibern entstanden sei und wohl reden könnte, wenn er nur wollte. Bontius gab in der Mitte des 17. Jahrh. Nachrichten, die er auf Borneo erhalten zu haben scheint. Sichere Nachrichten gab erst Wallace, in den letzten Jahren sind häufig lebende Orang-Utans nach Europa gekommen. Vgl. Selenka, Rassen, Schädel und Bezahnung des Orang-Utans (Wiesbad. 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 91.
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