Ricasŏli

[895] Ricasŏli, Bettino, Baron, ital. Staatsmann, geb. 9. März 1809 in Florenz, gest. 23. Okt. 1880, erhielt in Florenz und Pisa eine treffliche Erziehung und widmete sich auf seinem Schloß Brolio bei Siena landwirtschaftlichen Studien, der Kultur des Weines (Chianti) und dem Ackerbau. Erst 1847 trat er öffentlich auf, indem er dem Großherzog von Toskana einen Reformplan vorlegte und zum Bürgermeister von Florenz erwählt wurde. 1848 schloß er sich der republikanischen Partei nicht an und wirkte 1849 als Mitglied der Exekutivkommission zur Rückberufung des Großherzogs mit. Da dieser jedoch seine Hoffnung auf eine liberale Regierung täuschte, zog er sich ins Privatleben zurück. In der Aprilrevolution 1859 trat er gegen die Regierung auf, ward im Mai Minister des Innern, 1. Aug. Diktator von Toskana und wirkte in hervorragender Weise für die Sache der Einigung Italiens. Nach der Annexion Toskanas ward er von Viktor Emanuel 26. März 1860 zum Generalgouverneur von Toskana und nach dem Tode Cavours im Juni 1861 zum Ministerpräsidenten ernannt. Im März 1862 mußte er dem Ministerium Rattazzi Platz machen und trat erst 1866 vor dem Kriege mit Österreich wieder an die Spitze der Regierung. Allen Versuchungen, sich von der preußischen Allianz loszusagen und ohne Fortsetzung des Krieges Venetien zu erwerben, leistete er entschiedenen Widerstand. Nach Abschluß des Friedens suchte R. im Innern des Staates zu dezentralisieren, die Finanzlage zu verbessern und die Beziehungen zwischen Kirche und Staat endgültig zu regeln. Allein jetzt, wie früher, fehlte ihm die Fähigkeit, die Parteien zu beherrschen, und als auch eine Auflösung des Parlaments keine wesentliche Veränderung in der Zusammensetzung desselben herbeiführte, sah er sich im April 1867 abermals zum Rücktritt genötigt. Er beteiligte sich seitdem wenig am öffentlichen Leben. Seine Briefe, besonders an Nicastro-Ventura, gaben Tabarrini und Gotti heraus: »Lettere e documenti del barone B. R.« (Flor. 1886–94, 10 Bde.). Vgl. Passerini, Genealogia e storia della famiglia R. (Flor. 1861); Gotti, Vita del barone B. R. (das. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 895.
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