Wochenbett

[712] Wochenbett (Kindbett, Puerperium), der Zeitraum vom Abschluß der Geburt bis zur vollständigen Wundheilung und Rückbildung der durch Schwangerschaft und Geburt veränderten Geschlechtsorgane. Das W. währt etwa 6–8 Wochen. Nach dieser Zeit tritt bei nichtstillenden Frauen die Menstruation wieder auf, während sie sich bei stillenden meist erst nach dem Absetzen des Kindes wieder einstellt. Im W. findet außerdem eine reichliche Milchsekretion der Brustdrüsen statt, die bei stillenden Frauen durchschnittlich 9 Monate anhält. Gleich nach Beendigung der Geburt macht sich bei der Wöchnerin zunächst das Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf geltend. Einem schnell vorübergehenden Frostschauer folgt bald das Gefühl der Wärme und ein gelinder, allgemeiner Schweiß. Das Nahrungsbedürfnis ist in den ersten Tagen des Wochenbettes gering, der Durst häufig vermehrt. Am 2.–4. Tage werden die Brüste praller und härter, »die Milch schießt ein«. Stillt die Frau, so läßt die Spannung bald nach und die Brüste werden wieder weich. Die Rückbildung der Gebärmutter erfolgt unter dem Einfluß der Nachwehen und vollzieht sich bei stillenden Frauen schneller als bei nichtstillenden. Neben der Rückbildung der Gebärmutter geht die Wundheilung ihrer Innenfläche im W. einher. Sie erfolgt unter Absonderung einer Wundflüssigkeit, des Wochenflusses (s. Lochien), der anfangs blutig, dann blutig-wässerig, blutig-eiterig und endlich rein eiterig ist. Nach 3–4 Wochen hört der Wochenfluß[712] auf. Die zahlreichen, oberflächlichen Wunden am Muttermund, in der Scheide und im Scheideneingang heilen unter mäßiger Wundsekretion. Die gedehnten Gebärmutterbänder werden nach und nach wieder kürzer und straffer. Dagegen erlangen die Bauchdecken selten ihre frühere Festigkeit wieder. Bei der Leitung des Wochenbetts ist peinlichste Reinlichkeit geboten, da andernfalls die Wundheilung Störungen erleiden kann. Eine sachgemäße Pflege im W. ist von größter Wichtigkeit für ihren günstigen Verlauf. Die Wöchnerin bedarf durchaus der Ruhe. Lärm, Gemütsbewegungen, überflüssige Besuche sind fernzuhalten. Die Wöchnerin soll mindestens 9 Tage ruhige Bettlage beobachten. In den ersten 2 Tagen muß Rückenlage eingehalten werden, später sind vorsichtige Bewegungen und Seitenlage gestattet. Das Wochenzimmer soll geräumig, hell und gelüstet sein. Das Bett muß durch eine wasserdichte Unterlage vor Durchnässung und Beschmutzung geschützt werden. Zum Auffangen des Wochenflusses dienen Wattevorlagen, die mehrfach am Tage gewechselt werden müssen. Die äußern Geschlechtsteile und ihre Umgebung werden 1–2 mal am Tage mit abgekochtem Wasser abgespült und mit Verbandwatte von noch anhaftenden Verunreinigungen gesäubert. Ausspülungen der Scheide sollen nur auf besondere ärztliche Verordnung hin von der Hebamme vorgenommen werden. Die Ernährung der Wöchnerin muß in den ersten Tagen in flüssiger Form und in nicht zu reichlicher Menge geboten werden. Die zweckmäßigste Nahrung ist in den ersten 3 Tagen Milch, Schleimsuppen, Fleischbrühe mit Ei und Zwieback. Vom 4. Tage ab geht man allmählich zu konsistenterer Kost über; doch sind fette, stark gewürzte und blähende Speisen zu vermeiden. Vom 3. oder 4. Tage ab ist für regelmäßige Stuhlentleerung Sorge zu tragen. Das normale W. verläuft ohne Fieber. Ein sogen. Milchfieber gibt es nicht. Die meisten fieberhaften Erkrankungen im W. beruhen auf Wundinfektion (s. Kindbettfieber). Vgl. Credé, Gesunde und kranke Wöchnerinnen (Leipz. 1886); Wagner, Die Wochenbettspflege (Stuttg. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 712-713.
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