Zarskoje Selo

[855] Zarskoje Selo (»Kaiserdorf«), Kreisstadt im russ. Gouv. St. Petersburg, mit Petersburg seit 1838 durch die älteste russische Eisenbahn verbunden, jetzt Station der Linie St. Petersburg-Witebsk, hat ein Mädchen- und ein Knabengymnasium, eine Realschule, eine Offizierschießschule, mehrere Kasernen, eine Tapetenfabrik und (1897) 22,353, im Sommer 25–30,000 Einw. Das kaiserliche Lustschloß Z., die Winterresidenz des Kaisers, entstand aus einer kleinen, von Peter d. Gr. herrührenden Anlage (ursprünglich Saari Mois) und besteht aus dem alten Park mit dem großen Schloß, dem obern Park mit dem Alexander- oder Sommerpalais und dem neuen Park. Elisabeth erbaute 1744 das große Schloß, das Katharina II. mit großen Kosten ausschmücken ließ und zu ihrem Lieblingsaufenthalt wählte. Bemerkenswert sind darin der Bernstein-, der Lazurstein-, der Silberne Saal u. a. Die kaiserliche Kapelle im Schloß ist im Innern reich ausgestattet und ihr Dach mit fünf stark vergoldeten Kuppeln geziert. An das Schloß schließt sich die berühmte Marmorgalerie mit zwei Stockwerken. Um den obern Stock läuft eine Kolonnade von weißen Marmorsäulen ionischer Ordnung, unter der auf dunklern Marmorpostamenten Bronzebüsten römischer Cäsaren und Helden, griechischer Philosophen und Redner aufgestellt sind. Ein auf gewölbtem Unterbau angelegter schwebender Garten schließt sich an die Galerie an. Im obern Park befinden sich: das von Alexander I. erbaute Sommerpalais mit berühmten Gemälden der russischen Maler Brüllow, Aiwasowski u. a., ein chinesisches Dörfchen mit Pagode sowie die künstliche Ruine einer gotischen Schloßburg, in deren Kapelle die berühmte marmorne Christusstatue von Dannecker aufgestellt ist (1824 von der Kaiserin Maria Feodorowna angekauft). Sonstige Sehenswürdigkeiten in den Parken von Z. sind eine prachtvolle, von himmelblauem sibirischen Marmor erbaute Brücke, die sich über einen zwei Seen verbindenden Kanal hinzieht; Säulen und Obelisken zum Andenken an die Siege der Grafen Rumjanzow, Orlow Tschesmenskij u. a.; eine berühmte Najade mit zerbrochenem Wasserkrug; eine altfränkische Eremitage; der alte Garten Katharinas I. und der See mit seiner Schwaneninsel und ihrem Konzertsaal. Bemerkenswert ist auch der herrliche, von Alexander I. an der Straße nach Pawlowsk errichtete gußeiserne Triumphbogen mit der russischen und französischen Aufschrift: »Meinen teuren Waffenbrüdern«. Das Arsenal ist neuerdings in die Eremitage von St. Petersburg übergeführt worden. Unweit nordwestlich liegt Pulkowo (s. d.). Bei Z. werden seit 1841 jährlich große Wettrennen gehalten. Wegen seiner gesunden Lage (etwa 35 m höher als Petersburg) ist Z. einer[855] der beliebtesten Sommeraufenthaltsorte für die bemitteltern St. Petersburger. Durch eine ununterbrochene Reihe von Landhäusern ist es mit dem nur 3 km entfernten Pawlowsk (s. d. 2) verbunden. Zu Z. gehört die Kolonie Freudenthal und das Dorf Kusmino. Im Kreise Z. liegt das Gut Zarskoja Slawjanka mit einer Gartenbauschule, mehrere Papier- und Glasfabriken, Sägewerke u. a.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 855-856.
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