2. Kapitel.

Die Teerpuppe.

[26] In der Erzählung vom Affen und Krokodil, wie sie im Tantrākhyāyika vorliegt, sucht das Krokodil den Affen dadurch zu überlisten, daß es ihm als Gegenleistung für die ihm gewährten Wohltaten süße Früchte und drei Äffinnen verheißt. Es rechnet mit der bekannten Sinnlichkeit des Affen[26] und dem Umstände, daß der alternde Affe durch einen jüngeren Rivalen von seiner weiblichen Umgebung verdrängt worden ist.

An diese Einzelheit erinnert eine Erzählung in Hēmacandras Pariśiṣṭaparvan II, 720 ff. »Der Eingang erzählt gleichfalls,« wie Hertel Tantrākhyāyika 1, 89 angibt, »von einem alten Affenkönig, der aus der Mitte seiner Äffinnen von einem jüngeren Rivalen vertrieben wird.« Er findet dann aus einem Felsen rinnendes Erdharz, hält es für Wasser, sucht zu trinken und bleibt mit Mund, Händen und Füßen, welche die fünf Sinne symbolisieren, daran kleben. (Wortlaut in Hertels Übersetzung von Hemacandras Pariśiṣṭap. II, 720.) Die Geschichte wird erzählt, um darzutun, daß man sich des Geschlechtsgenusses enthalten soll, und die in Str. 745 gegebene Lehre lautet: »Und so kann ein törichtes körperhaftes Wesen, wenn es zunächst auch nur auf Befriedigung der Zungengelüste bedacht ist, sich bald mit allen fünf Sinnesorganen in die dem Erdharze gleichenden Weiber versenken und zugrundegehen.«

Es ist klar, daß der Affe auch hier durch seine – allegorisch dargestellte, aber dann dem eigentlichen Sinne nach erläuterte – Geilheit zugrundegeht. Bemerkenswert ist aber, daß diese Variante nicht, wie das Tantrākhyāyika, aus Kaschmir, sondern aus der Gegend stammt, in der dessen textus simplicior zu Hause ist, nämlich aus Gujarat. Und im textus simplicior fehlt am Anfang die Vertreibung und späterhin die Spekulation auf die Sinnlichkeit, sie ist durch eine Einladung in das Haus des Krokodils ersetzt (vgl. oben S. 16). Ein innerer Zusammenhang zwischen den beiden Erzählungen von sinnlichen Affen braucht daher nicht vorzuliegen; die Übereinstimmung in den Anfängen beweist jedenfalls nicht, daß die darauffolgende Geschichte vom anklebenden Affen etwa als Umbildung der Geschichte im Tantrākhyāyika anzusehen ist.

Wie dem auch sei, – was uns diesen Stoff recht eigentlich erst interessant macht, ist gar nicht die Frage nach dem Verhältnis zwischen den beiden Quellen, sondern die Frage nach deren Fortleben in der Märchen- und Sagentradition der Völker. Wie die Erzählung von dem Affen und dem Krokodil, so ist auch die von dem anklebenden Lüstling zu weiter Verbreitung gelangt.

Quelle:
Dähnhardt-Natursagen-4, S. 26-27.
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