Lesen

[299] Lesen, die sichtbaren Zeichen der Sprachlaute in die entsprechenden hörbaren Laute übertragen. Der Unterricht im L. geht vom Einfachsten, dem Buchstabenlesen, aus u. schreitet zu dem Sylben-, Wort- u. Satzlesen fort u. bezweckt vollkommene Fertigkeit zuerst im mechanischen, dann im logischen, endlich im ästhetischen L. Unter den verschiedenen Methoden, welche den Zweck haben, den Schüler schnell, sicher u. ohne Mechanismus zum L. zu bringen, sind die wichtigsten: die Buchstabirmethode, bei der man die Schüler[299] das Alphabet lernen u. die Buchstaben nach ihrem Namen aussprechen läßt; die Lautirmethode, welche den Schüler zuerst mit den Lauten, als den Elementen der Sprache, bekannt macht u. dann erst zur Figur u. dem Namen des Buchstabens übergeht. Herbei benutzt man eine Lesemaschine (s.d.), Wandtafeln u. Fibeln. Diese Methode, welche schon früher von Ickelsamer u. Comenius, von den Schulmännern des Port-Royal, von den Philanthropen u. And. empfohlen wurde, hat bes. Stephani (s.d.) ausgebildet, u. sie heißt oft die Stephanische Methode. Die Lautirmethode ist in neuerer Zeit verschieden ausgebildet worden, so will z.B. Olidier jedem Consonanten den Hülfslaut des kurzen hauchähnlichen e geben; Krug will die Fertigkeit im L. u. Sprechen durch die Modificationen der einzelnen Sprachorgane hervorbringen u. sichern (die Buchstaben werden nach den Organen, z.B. b Lippenschlußzeichen, m Lippenlautzeichen, r Schnurrlautzeichen etc. benannt); ihr schließt sich die Methode von Zeller an; Pöhlmann sagt den Kindern bei Vorzeigen der Laute, wie sie in Verbindung mit den beigefügten Grundlauten ausgesprochen werden; Pestalozzis Leselehrart ist die alte Buchstabirmethode, in Reihenfolge durch Vor- u. Nachsprechen angewandt, mit Anwendung combinatorischer Verbindung von Grund- u. Mitlauten. Die Bel- u. Lancastersche Leselehrart besteht wesentlich darin, daß die Schüler die Figuren der Druckbuchstaben in seinem Sande nachbilden, das L. selbst geschieht nach der Buchstabirmethode. In neuester Zeit wird die Lautirmethode wieder durch die Schreiblesemethode von Graser verdrängt. Nach dieser müssen die Kinder zuerst das Currentalphabet, od. auch das lateinische, später erst das deutsche, mittelst Griffel auf die Tafel schreiben, wodurch die Form der Buchstaben sich ihnen von selbst einprägt. Dabei macht man sie mit den Lauten der geschriebenen Buchstaben bekannt, läßt sie zu Sylben, später zu Wörtern zusammensetzen u. aussprechen, so bes. auch Scholz, Scherr, Stern, Graßmann, Harnisch u.a. Doch wird auch diese Methode in sehr verschiedener Weise angewendet. Vgl. Keller, Die neuesten Leselehrarten, 1826.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 299-300.
Lizenz:
Faksimiles:
299 | 300
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika