Pestalozzi

[890] Pestalozzi, Johann Heinrich, geb. 12. Jan. 1746 in Zürich, wo sein Vater Arzt war, verließ das begonnene Studium der Wissenschaften u. wendete sich dem Landbau zu, namentlich begann er auf seinem 1767 bezogenen Landgute Neuhof beim Schloß Habsburg den Krappbau, da dieser aber nicht gedieh, so widmete er sich der Pädagogik u. nahm zuerst 1775 eine Anzahl Bettelkinder in sein Haus auf. Anfänglich als Sonderling angesehen u. nicht unterstützt, wurde er später von zahlreichen Gegnern, welche sein hoher Ton in seinen Lehrbüchern u. seine Herabwürdigung aller früheren Unterrichtsmethoden reizte, angefeindet u. durch seinen Mangel an Menschenkenntniß u. Geschäftskunde brachte er sich in Verlegenheit, daß er 1780 seine Anstalt schließen mußte. 1798 verließ er Neuhof u. gründete in dem Ursulinerinnenkloster zu Stanz ein Erziehungshaus für arme Kinder, mußte aber 1799 auch diese Anstalt wieder schließen, da die Franzosen den größten Theil des Klosters zum Lazareth verlangten, u. wurde Schultehrer in Burgdorf, wo er dann mit Krüsi, Tobler u. Buß im Winter 1800 eine Erziehungsanstalt eröffnete; 1803 ging er als Deputirter an Bonaparte nach Paris u. übergab demselben ein Memoire über das, was der Schweiz noth thue. Als in Folge der Wiederherstellung der Centralverfassung in der Schweiz das Schloß Burgdorf zum Sitz eines Oberamtmanns bestimmt wurde, verlegte er 22. Aug. 1804 seine Anstalt nach München-Buchsee u. 1805 nach Yverdun. Nachdem das Institut unter mancherlei Wechselfällen ein Vierteljahrhundert bestanden hatte u. zuletzt ganz herabgekommen war, wurde es 1825 aufgelöst, u. P. kehrte nach Neuhof zurück u. st. 17. Febr. 1827 in Brugg; er wurde in Birr begraben. Er schr.: Die Abendstunde eines Einsiedlers, 1780; Lienhard u. Gertrud, Bas. 1781–89, 4 Bde.; Christoph u. Else, Zür. 1782, u. Aufl. 1790; Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwickelung des Menschengeschlechts, Zür. 1797; Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, Zür. 1801; Buch für Mütter, Lpz. 1803; Anschauungslehre der Maß- u. Zahlenverhältnisse, Lpz. 1803–1804; Bericht über den Zustand u. die Einrichtung der Pestalozzischen Anstalt, 1807; Schwanengesang, 1826; Meine Lebensschicksale, Lpz. 1826; Gesammelte Werke, Stuttg. 1819–26, 15 Bde.; Biber, Beitrag zur Biographie P-s, St. Gallen 1827; Blochmann, P-s Züge aus dem Bilde seines Lebens u. Wirkens, Lpz. 1846; Christoffel, P-s Leben u. Ansichten, Zür. 1846; I. B. Bandlin, P., seine Zeit, seine Schicksale u. sein Wirken, Schash. 1843. Über die Pestalozzische Erziehungsmethode, welche, indem sie die Übung der gesammten physischen u. geistigen Kräfte für den Zweck des Elementarunterrichtes hielt, diesen durch sinnliche u. geistige Anschauung, so wie durch Bildung des Kindes zum Menschen mittelst eines stufenweisen Unterrichts in naturgemäßen auf einander folgenden Gegenständen zu erreichen suchte,[890] vgl. P-s Wochenschrift für Menschenbildung, 3. u. 4. Bd., Lpz. 1810 u. 12, Niederer, P-s Erziehungsunternehmung im Verhältniß zur Zeitcultur, Yverdun 1812; Niemeyer, Über P-s Grundsätze u. Methoden, Halle u. Berl. 1810. Seiner Methode nahmen sich Ladomus, Himly, Plamann, Zeller, Güring, Trapp, Schultheß, Tillich u. von Türk an, aber nur einzelne Privatinstitute, wie das Plamannsche in Berlin, nahmen sie in sich auf; für gelehrte Schulanstalten fand man sie überhaupt nicht geeignet. In Rußland, Frankreich, Italien machte man Versuche damit; in Deutschland wandte man sie auf einzelne Zweige des Unterrichts an, u. in der Schweiz fand sie fast den stärksten Widerstand. Der Mathematik u. der Gesanglehre (vgl. Nägeli, Gesangbildungslehre nach Pestalozzischen Grundsätzen, Zür. 1810) hat sie noch die wichtigsten Dienste geleistet. Am 12. Jan. 1846 wurde P-s 100jähriger Geburtstag an vielen Orten festlich begangen u. seitdem mehre von Privatbeiträgen gestiftete u. unterhaltene Erziehungs-, Bildungs- u. Besserungsanstalten (namentlich für die ärmeren Klassen) Pestalozzistiftungen genannt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 890-891.
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