Nabelschnur

[620] Nabelschnur (Nabelstrang, Funiculus umbilicalis), ein von dem Leibe des Embryo nach der Ausbildung des Mutterkuchens zu diesem als ein gleichmäßig (finger-) dicker, 15–20 Zoll langer, gewöhnlich schraubenförmig links gewundener Strang. Die Einpflanzung der N. in den Mutterkuchen ist gewöhnlich schräg u. mehr seitlich dem Rande näher. Erst gegen Ende des ersten Monats tritt die N. deutlich hervor, wenn der Embryo sich vollkommen von der Keimblase abgeschnürt hat u. diese dadurch zur Nabelblase geworden ist, welche nur noch durch ihren bald verödenden Stiel (Faden der Nabelblase) mit dem Embryo in Verbindung steht, u. wenn die Allantois ebenfalls zum Strang verödet ist. Der Nabelstrang wird aus folgenden Theilen zusammengesetzt: a) Nabelschnurscheide (Vagina funiculi umbilicalis), welche durch die in die Haut des Embryo übergehende Einstülpung des Amnion gebildet wird; b) die Nabelgefäße (Vasa umbilicalia), bestehend aus einer sehr starken Vene (Vena umbilicalis), die sich aus dem Mutterkuchen zur Pfortader begibt, u. zwei dünnen Arterien (Art. umbilicales), die von den Art. hypogastricae des Embryo entspringen u. sich spiralförmig von links nach rechts, meist 28 Mal um die Nabelvene windend, zum Fruchtkuchen erstrecken; c) die Fortsetzung des Urachus (s. Harnblase), ein Theil der früher vorhandenen Allantois, welcher aber bald verschwindet; d) der Faden der Nabelblase, der frühere Nabelgekröskanal u. die Nabelgekrösgesäße, die Wharton'sche Sulze (Gelatina Whartoniana, Nabelschnursutze), eine gallertartige, die genannten Theile verbindende Masse, welche nach außen mit der Eiweißschicht, nach innen mit dem Schleimgewebe der Bauchdecken des Embryo zusammenhängt. Von ihrer Menge hängt die Dicke der Nabelschnur (eine fette od. magere) ab; e) ein Theil des Darmkanals, wenigstens in der frühesten Zeit; bei Untersuchung der schwangeren Gebärmutter mittelst des Stethoskops hört man oft ein vom Fötalpuls u. dem Muringeräusch mit dem kindlichen Herzschlag isochronisches Geräusch (Nabelschnurgeräusch).

Die Behandlung der N. nach der Geburt eines Kindes erfordert mehre Vorsichtsmaßregeln der Hebamme. Zunächst ist das Kind durch Zerschneidung der N. von der entweder noch zurückgebliebenen od. auch bereits ausgetriebenen Nachgeburt zu lösen (Säugthiere bewirken dies instinktmäßig durch Abbeißen der N., welche bei ihnen im Allgemeinen dünner u. bereits im Welken begriffen ist). In der Regel fühlt man beim neugeborenen Kinde, so lange das Athmen noch nicht in gehörigem Gange ist, noch eine Zeit lang das Klopfen der Arterien in der N. Die Lösung der N., am besten nach völligem Aufhören des Pulsirens derselben, wird gewöhnlich in der Art bewirkt, daß man zuvörderst die N. in einer Entfernung von 2 Zoll vom Bauche des Kindes mit einem schmalen, leinenen Bande (Nabelbändchen), welches in einen zweimal durchgezogenen Knoten geschlungen u. dann noch mit einer. Schleife befestigt wird, unterbindet u. nun, mittelst einer in eine stumpfe Spitze auslaufenden Schere (Nabelschnurschere), die N. 1–2 Zoll weit von dieser Unterbindung nach der Mutter zu abschneidet. Das Unterbinden ist eine Vorsichtsmaßregel, indem das Kind ohne dieselbe sich verbluten könnte. Nach erfolgter Reinigung des Kindes wird nun der Nabelschnurrest in ein weiches, leinenes Läppchen gewickelt, aufwärts an dem Leibe des Kindes auf dessen linke Seite gelegt u. mit einer etwa eine Hand breiten Binde. welche einigemal um den Leib herumreicht (Nabelbinde), befestigt. Nach etwa 6–7 Tagen löst sich der nun verwelkte Nabelschnurrest von selbst vom Nabel des Kindes u. fällt ab. Es muß dann aber immer noch einige Tage ein leinenes Bäuschchen auf den Nabel aufgelegt u. die Nabelbinde angelegt werden, damit der Nabel in seiner Vernarbung nicht gestört werde. Der nach Entzündung des Nabels sich zuweilen bildende Schorf muß ebenfalls von selbst abfallen u. darf so wenig, als die nicht völlig lose N., abgerissen werden. Für die Geburtshülfe kommt die N. auch in so fern in Betracht, als sie während der Geburt selbst nicht selten der Entbindung Hindernisse entgegenstellt, welche bes. das Leben des Kindes bedrohen, od. auch wohl die Entbindung verzögern. Letzteres ist bes. der Fall, wenn die N. zu kurz ist, wo dann das Kind, auch bei gehöriger Stellung des Kopfs u. Geräumigkeit des Beckens, selbst unter kräftigen Wehen, nur langsam fortrückt. Es löst dann auch leicht die Nachgeburt, wenigstens zum Theil, sich vor der Geburt ab; es entstehen Blutungen u., wenn das Ausziehen des Kindes mit der Zange nicht zeitig erfolgt, so ist das Leben des Kindes u. auch wohl der Mutter in Gefahr. Auch zerreißt die N. hier leicht noch vor beendigter Geburt; in diesem Fall ist, wo möglich, die N. noch vor der Geburt zu unterbinden u. zu lösen, dann aber die Geburt zu beschleunigen, weil, so lange das Kind noch nicht athmet, seine Lebensunterhaltung durch die freie Communication des Blutes zwischen Kind u. dem Mutterkuchen bedingt ist. Mißlich ist um deswillen der Vorfall der N. beim Eintritt des Kopfes, od. auch des Hintern zur Geburt, weil sie dann von diesen Theilen zusammengedrückt wird. [620] Hier kann es nun zuweilen gelingen, sie durch Veränderung der Lage, welche man die Gebärende annehmen läßt, u. mittelst eines, an einem Stäbchen angebrachten, gabelförmigen Schwammes, durch welchen eine Schnur gezogen ist, zurückzubringen. Leichter noch ist das Vorfallen der N., wenn ein anderer Körpertheil des Kindes sich zur Geburt stellt, u. schwierig, wenn sie auch zurückgebracht ist, sie zurückzuhalten. Man hat hier, die Geburt durch die Wendung u. Anlegung der Zange zu beschleunigen. Ein häufiger Fall ist auch die Verschlingung der N. um einen od. den andern Körpertheil des Kindes, bes. dann, wenn sie von Natur sehr lang ist. Die Geburt wird dadurch auch oft verzögert. Der Geburtshelfer sucht hier die N. über den umschlungenen Theil, welches häufig der Kopf ist, hinwegzustreifen, od. unterbindet sie doppelt u. schneidet sie durch. Ist die N. nahe am Nabel abgerissen, so daß nach der Entbindung kein Nabelbändchen angelegt werden kann, so ist das sicherste Mittel, die mit dem Bromfieldschen Haken (s.u. Haken 4) am Nabel hervorgezogenen Nabelarterien mit einem gewichsten Faden zu unterbinden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 620-621.
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