Gaertner, Rudolph

[289] Gaertner, R. Paul Ernst Rudolph Gaertner wurde als Sohn des Kaufmanns und Stadtrats L. Gaertner am 15. 1. 1817 in Berlin geboren, besuchte das Friedrich-Wilhelms-, später das Cöllnische Gymnasium seiner Vaterstadt und trat mit 18 Jahren als Lehrling bei Creutz in Magdeburg ein. Zwei Jahre verbrachte er dann als Gehilfe in Heidelberg und kaufte am 1. Juni 1841 das Sortiment von C. F. Amelang in Berlin (gegr. 1806) für 5000 Thaler; er führte es unter der Firma Amelangsche Sortimentsbuchhandlung (R. Gaertner) fort. Dem Sortimentsgeschäft fügte er bald ein für die damaligen Berliner Verhältnisse ausgedehntes Kommissionsgeschäft hinzu und begann sich auch dem Verlag zu widmen. 1847 erwarb er durch Ankauf aus C. F. Amelangs Verlag Wredows Gartenfreund (19. Auflage 1901), 1854 den Verlag der Firma Louis Nitze in Berlin (gegr. 1825 unter der Firma Plahnsche Buchhandlung durch Carl Fr. Plahn), 1868[289] den der Firma Karl Schultzes Buchdruckerei in Berlin. Seit 1861 erschien in seinem Verlage die von dem Litteraturhistoriker Julian Schmidt redigierte, aber unter den Stürmen der Konfliktsperiode bereits 1863 untergegangene »Berliner Allgemeine Zeitung«, das Organ der Altliberalen. Die stetige Ausdehnung seines Verlages, für den schon seit 1855 R. Gaertner firmierte, führten ihn 1870 zum Verkauf des Sortiments an seinen bisherigen Prokuristen Hans Benecke und an Eduard Schlenther. Seit 1884 befand sich das Sortiment im Alleinbesitz von H. Benecke, seit 1888 wird es von seinen Erben fortgeführt und gehört zu den ersten Sortimentsbuchhandlungen Berlins.

Der Verlag Gaertners war ein wissenschaftlicher; mit Vorliebe pflegte er die pädagogischen, sprach- und naturwissenschaftlichen Disziplinen.

Um auf seine Verlagsunternehmungen hier gleich einzugehen, sei zunächst seine furchtbare Verbindung mit Professor Dr. R. Haym, mit dem ihn auch eine innige Freundschaft verband, gedacht. U. a. verlegte Gaertner von diesem die romantische Schule 1870; W. von Humboldt, Lebensbild 1856; Hegel und seine Zeit 1857; später folgten noch Herder nach seinem Leben, 2 Bände 1880-85; Max Dunckers Leben 1891. Eine Reihe hervorragender Autoren stand Gaertner zur Seite: Dr. H. Brugsch-Pascha, der Pharmazeut Prof. Otto Berg, Prof. F. A. Flückiger, der Chemiker Jacobsen, die Techniker Grashof, Rosenkranz, Ziebarth, Scheeffer, und namentlich von bekannten Schulmännern: Dr. O. Lange, R. Foß, A. F. Gottschick, A. Möbus, A. Böhme.

Neben seiner regen Verlagsthätigkeit fand Gaertner noch Zeit, sich mit kommunalen und Standesangelegenheiten gründlich zu beschäftigen. Nicht allein als Berliner Stadtverordneter, und hier vorzugsweise in der Schuldeputation wirkend, finden wir ihn, sondern er hat auch als Mitbegründer der Korporation Berliner Buchhändler eine bedeutende Wirksamkeit teils in deren Vorstand, wie in Ausschüssen entwickelt. Auch in Börsenvereins-Ausschüssen war er thätig und gehörte ferner 26 Jahre lang dem Vorstande des Unterstützungsvereins deutscher Buchhändler und Buchhandlungsgehilfen an.

Zunehmende Kränklichkeit veranlaßten ihn, am 15 November 1880 sein schön erblühtes Verlagsgeschäft in andere Hände zu legen, er verkaufte es an seinen ehemaligen Zögling, Hermann Heyfelder, geb. 26. 6. 1839 in Seelow, der dasselbe mit dem von ihm[290] ins Leben gerufenen, während der Jahre 1867-80 unter der Firma Mittlersche Buchhandlung H. Heyfelder in Bromberg erschienenen Verlage vereinigte. Rudolph Gaertner, der in stiller Zurückgezogenheit die letzte Lebenszeit in seinem Landhaus in Tempelhof bei Berlin verbrachte, starb am 25. Dezember 1880.

Heyfelder führte seit 1881 den Verlag unter der Firma R. Gaertners Verlag H. Heyfelder fort und hat denselben mit rastloser Arbeit zu einer großartigen Entwickelung gebracht. Nur die bedeutendsten seiner Unternehmungen können hier berührt werden. Den breitesten Raum nimmt das Gebiet des Unterrichtswesens ein und dürfte in erster Linie hier die seit 1893 erscheinende, bis jetzt auf 90 Bände angewachsene Französich-Englische Schulbibliothek zu nennen sein, deren Tendenz in der Realisierung der Forderungen der neuen Lehrpläne für den fremdsprachlichen Unterricht gipfelte; ihr schließen sich die neusprachlichen Unterrichtsbücher an von Prof. Tendering, Dr. G. Dubislav, P. Boek, Dr. E. Wolter, Prof. Dr. O. Ulbrich, Prof. Dr. F. J. Wershoven u. a. und ferner Unterrichtslitteratur von Rethwisch, Münch, R. Jonas, Aly, Biese, Weißenfels, Angerstein, Euler, Hermann; die Jahresberichte über das höhere Schulwesen (seit 1887), die Monatsschrift für das Turnwesen (seit 1882). – Aus dem Gebiete der Geschichte und Länderkunde sind zu nennen: Prof. Dr. K. Lamprechts Deutsche Geschichte (seit 1891 7 Bände), die Jahresberichte der Geschichtswissenschaft, im Auftrag der Berliner historischen Gesellschaft herausgegeben von E. Berner (seit 1878), die Mitteilungen aus der historischen Litteratur (seit 1873), Schriften von J. Jastrow, W. Altmann, R. Foß, M. Schilling, G. Steinhausen u. a. Sprachwissenschaft und Litteraturkunde verzeichnen Namen wie R. Genée, C. Th. Michaelis, G. Leuchtenberger etc. – Philosophie: Wendland, Michaelis, Pappenheim, Gerber, Döring, Lasson, Schuppe. – Chemie und Pharmazie: Neben der jährlich erscheinenden Kgl. preußischen Arzneitaxe, die Chemische Industrie (seit 1878, erst von Jacobsen, jetzt von Prof. Dr. Otto N. Witt redigiert), Chemisch-technisches Repertorium (seit 1862), Witt, G. Schultz u. a.; endlich sei noch die Wochenschrift für klassische Philologie (seit 1884) genannt, sowie die Veröffentlichungen der Comenius-Gesellschaft.

Quellen: G. Thomälen, R. G. 1893 (aus Schulz, Adreßbuch); Verlagskatalog 1896 mit Nachträgen, 1901; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1881.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 289-291.
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