Dreyschliz

[281] Dreyschliz. (Baukunst)

Eine Zierath an dem Fries der dorischen Gebälke.1 Es ist zu vermuthen, daß in den ältesten Zeiten der Fries nichts anders gewesen ist, als der Raum zwischen dem Unterbalken und dem Kranz, den zum Theil die Köpfe der Queerbalken, zum Theil der leere Raum zwischen denselben eingenommen haben. Von diesen Balkenköpfen sind die Dreyschlize oder Triglyphen entstanden, und geblieben, nachdem der Zwischenraum ausgemauret worden.

Vermuthlich hat man, wie einige berichten, in die Balkenköpfe blos darum senkrecht heruntergehende Schlize gemacht, damit das Wasser desto leichter davon ablaufe und sich nicht in die Balken ziehe. Denn wenn es eine blosse Zierath wäre, so ist zu vermuthen, daß man auf etwas anders gefallen seyn würde, wie man denn noch ietzo an alten hölzernen Häusern die Balkenköpfe mit Rosen und anderm Schnizwerk verziert findet. Die unter den Triglyphen stehenden oder hangenden Tropfen scheinen es noch mehr zu bestätigen. Man findet schon die Spuhren der Dreyschlize sowol als der Verzierungen der Zwischentiefen, in einem sehr alten Gebälke in Amara, welches das alte Taetyra ist.

Ursprünglich sind also die Dreyschlize Balkenköpfe, welche mit drey gerad herunterlaufenden prismatischen Schlizen vertieft sind. Man hat nachher, da sowol die Balkenköpfe, als der leere Raum dazwischen, mit Steinen bedekt und zugesetzt worden, die Dreyschlize und Zwischentiefen, als Zierrathen des Frieses beybehalten. Allein es läßt sich nicht sagen, warum in keiner andern Ordnung eine Spuhr der Balkenköpfe übrig geblieben sey. So viel ist aber gewiß, daß dadurch die dorische Ordnung überhaupt ein gutes Ansehen bekömmt, und daß die Dreyschlize und die darunter hängenden Tropfen, als die einfachesten geschnizten Zierathen, dem Gebälk ein gutes Ansehen geben.

Die griechischen Baumeister haben, um dem Fries mehrere Mannigfaltigkeit zu geben, die Dreyschlize in ihren Verhältnissen von den Zwischentiefen unterscheiden. Diesen haben sie die Form eines gleichseitigen rechtwinklichten Viereks gegeben, da sie die Dreyschlize etwas höher, als breit gemacht. Vitruvius giebt dieses als eine nothwendige Regel, daß ihre Höhe zu der Breite sich wie 3 zu 2 verhalten, diese aber 1 Model seyn müsse. Allein diese Regel ist von keiner Nothwendigkeit. Alle Verhältnisse können statt haben, wenn sie nur grösser als 2:1 und kleiner als 6:5 sind. Es ist kaum zu begreifen, wie die Hochachtung für die griechischen Verhältnisse, auch da, wo sie die Natur nicht zum Grund haben, so viel neuere Baumeister hat zwingen können, das so sehr unbequäme Verhältniß des Vitruvius beyzubehalten, das sich, wie wir bald sehen werden, zu so wenig Säulenweiten schiket. Goldman verwirft daher diese Einschränkung, die Vignola Palladio und Scamozzi beybehalten haben, mit Recht.

Das vitruvische Verhältniß ist darin unbequäm, daß man die Triglyphen in den Säulenweiten von 4, 6, 7 und 8 Modeln, nicht mitten auf jede Säule bringen kann, welches doch in einer der wesentlichsten Regeln der Baukunst gegründet ist. Denn es ist ein beleidigender Fehler, wenn ein Balken nicht mitten auf die Säulen oder Pfeiler trifft. Setzet man die Säulen unter den ersten und dritten Dreyschliz, so wird die Säulenweite von fünf Modeln; setzet man sie aber immer unter den fünften Dreyschliz, so wird die Säulenweite von 10 Modeln, und von funfzehen, wenn man immer unter den siebenden Dreyschliz eine Säule setzet. Mithin können in der dorischen Ordnung nur drey Säulenweiten, nämlich von 5, 10, und 15 Modeln statt haben, welches die Bogenstellungen sehr ungeschikt macht.

Dieser Unbequämlichkeit abzuhelfen hat Goldman verschiedene Verhältnisse angenommen. Erstlich behält er die Vitruvischen für die bemeldten Säulenweiten; hernach rechnet er ein ander Gebälk aus, darin die Dreyschlize etwas kleiner sind, dieses schiket sich auf die Säulenweiten von 4, 6, 8, 10, 12, 14 und 16 Model; endlich hat er noch ein ander Gebälke, wo die Höhe der Dreyschlize zur Breite sich verhält, wie 4 zu 3. Dieses [281] schiket sich auf 7 Model Säulenweite. Durch diese weise Abweichung von einer ohne dem gar nicht nothwendigen Regel, hat Goldman so viel erhalten, daß er die dorische Ordnung überall anbringen kann, und der so sehr mühesamen Verstekung der Fehler, die andern Baumeistern so sauer wird, so bald sie von den drey vitruvischen Säulenweiten abgehen müssen, überhoben ist.

Die Erhöhung zwischen den Schlizen wird der Steg genennt, und einige nennen den kleinen Riemen an dem obern Theile der Dreyschlize, sein Capiteel.

1S. die Figuren in den Artik. Dorisch u. Gebälke.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 281-282.
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