Hämorrhoiden

[321] Hämorrhoiden, Hämorrhoidalkrankheit, goldene Ader, Goldader, ein jetzt sehr verbreitetes Übel, welches auf einer krankhaften Anhäufung von Blut im Unterleibe mit Stockung und Andrang desselben nach den Gefäßen des Mastdarms beruht, gewöhnlich aber auch mit einer fehlerhaften Mischung der ganzen Blutmasse verbunden ist. Diese Krankheit gelangt nicht immer zu ihrer vollständigen Ausbildung, sondern verharrt oft auf einer gewissen Entwickelungsstufe, die sich durch sehr mannichfaltige Erscheinungen kundgibt, welche man mit der Benennung: Hämorrhoidalbeschwerden oder Hämorrhoidalzufälle zu bezeichnen pflegt. Dergleichen sind: Schwere und Schmerz in der Lenden- und Kreuzgegend, ein Gefühl von Vollsein, Schwere und Spannung im Unterleibe, Störungen der regelmäßigen Leibesöffnung, indem bald Durchfall, bald und zwar beiweitem öfter Verstopfung statt hat, mit Schneiden im Leibe, Stuhlzwang, Gefühl von Brennen im Mastdarm, von Zeit zu Zeit eintretenden Kopfschmerzen, fliegender Hitze nach dem Gesicht, Schwindel, Ohrensausen u.s.w. Diese Zufälle nehmen an Zahl und Heftigkeit zu, wechseln zu verschiedenen Zeiten miteinander ab, verschlimmern sich namentlich bei anhaltendem Sitzen, nach reichlichen und erhitzenden Mahlzeiten, nach lange anhaltender Verstopfung und niederdrückenden Gemüthsbewegungen, können sich aber noch bei einer angemessen veränderten Lebensweise und unter zweckmäßiger ärztlicher Behandlung verlieren. Geschieht dies jedoch nicht, so zeigen sich bald an der äußern Öffnung des Mastdarms oder auch an der innern Oberfläche desselben Anschwellungen der Blutadern, die sogenannten Hämorrhoidalknoten, Mastkörner oder Zacken, welche ein bläuliches, schwärzliches oder röthliches Ansehen haben, zuweilen anschwellen und oft beträchtliche Schmerzen verursachen, auch wol gar sich entzünden und vereitern. Diesen Zustand bezeichnet man als blinde Hämorrhoiden. Sie verschlimmern sich ebenfalls periodisch, meist mit Erleichterung der Kreuz- und Leibschmerzen und des Gefühls von Schwere im Unterleibe. Verharrt die Krankheit nicht bei diesem Grade, so stellt sich eine widernatürlich vermehrte Absonderung von Schleim aus dem Mastdarme und am After ein (Schleimhämorrhoiden), oder mit bemerkbarer Erleichterung der allgemeinern Beschwerden ein mehr oder weniger reichlicher Erguß von wirklichem Blute aus den Blutgefäßen des Mastdarms (Goldaderblutfluß). Beiderlei Zustände begreift man unter dem gemeinschaftlichen Namen: fließende Hämorrhoiden, Goldaderfluß. Sind die blutigen Hämorrhoiden einmal in Gang gekommen, so pflegen sie meist zu gewissen Zeiten wiederzukehren (wie bei dem weiblichen Geschlecht der Monatsfluß) und werden dem Körper bald zu einem Bedürfnisse, sodaß eine Störung oder gänzliche Unterdrückung derselben durch Erkältung der Füße, kaltes Baden, Gemüthsbewegungen u.s.w. oft die nachtheiligsten Folgen nach sich zieht. Bei ältern Männern und solchen, deren Urinwerkzeuge geschwächt sind, wird zuweilen nicht der Mastdarm, sondern die Urinblase der Hauptsitz der Krankheit, die dann Blasenhämorrhoiden genannt wird. Unter solchen Umständen wird dann die Entleerung des Urins schwierig und schmerzhaft, es stellt sich Abgang von Schleim und Blut aus der Blase und Harnröhre ein – Zufälle, die wo möglich noch beschwerlicher und peinlicher sind, als die zuvor genannten. Vorherrschende Anlage zur Hämorrhoidalkrankheit findet sich beiweitem häufiger bei dem männlichen als bei dem weiblichen Geschlecht und ist nicht selten ererbt, öfter indeß erworben. Pflegt sich die Krankheit gleich erst im mittlern Lebensalter zu entwickeln, so wird der Grund zu ihr doch oft schon in der Jugend gelegt durch Verweichlichung mannichfacher Art, durch eine allzu reiche, zu stark nährende und erhitzende Kost, zu spärliches Trinken von Wasser oder im Gegentheil durch allzu häufigen Genuß erhitzender Getränke, so namentlich schwerer Rothweine, starker Biere, auch der warmen erschlaffenden Getränke, wie des Kaffees, der ganz besonders als eine der gewöhnlichsten Ursachen der so allgemein verbreiteten Hämorrhoidalbeschwerden erwähnt werden muß, des Thees, durch sitzende Lebensweise oder auch fortwährendes Stehen, wie dies manche Gewerbe erfodern, durch den Misbrauch von Klystiren, erhitzenden (drastischen) Abführungsmitteln, heißen Fußbädern, Aderlassen am Fuße, uberhaupt aber durch Alles, was besonders den untern Theil des Darmkanals schwächt. Wird die Hämorrhoidalkrankheit nicht falsch behandelt, namentlich in ihren verschiedenen Entwickelungsstufen gewaltsam gestört, so nimmt sie nur selten eine gefährliche Wendung. Am meisten ist plötzliche Unterdrückung der fließenden Hämorrhoiden durch Erkältung zu fürchten, in welchem Falle die Krankheit zuweilen durch Blutschlagfluß tödtlich endet. Eine angemessen eingerichtete Lebensweise trägt am meisten zur Minderung der Hämorrhoidalbeschwerden bei.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 321.
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