Hämorrhoiden

[917] Hämorrhoiden (v. gr. Haemorrhoĭdes. d.i. blutlassende, nämlich Adern, Goldene Ader, Goldader), ein Zustand von krankhafter Erweiterung der Mastdarmvenen (der sogen. Hämorrhoidalvenen) u. in weiterem Sinne auch der Venen der Blase (Blasenhämorrhoiden), Vorsteherdrüse, der Scheide u. der Gebärmutter. Die dadurch bedingten Beschwerden faßt man unter den Namen Hämorrhöidalkrankheit[917] (Morbus haemorrhoidalis) od. Hämorrhoidalische Dyskrasie zusammen. H. sind nur Symptome, bedingt durch irgend welchen anderen, zum Theil sehr entfernten Krankheitszustand des Körpers. Die H. sind Symptome von gehindertem Rückflusse des Venenblutes vom Mastdarme her, u. die gewöhnlichste Ursache der H. ist die sogenannte Pfortaderstockung (Abdominalplethora, Unterleibsanschoppung), welche sich durch die verschiedenartigsten Symptome, bes. durch Kopfweh, Rückenschmerzen, Anspannung u. Gefühl von Schwere im Unterleibe, mannichfache Verdauungsstörungen, Unregelmäßigkeit der Stuhlentleerung, vorzüglich Verstopfung, Schneiden u. mancherlei andere Gefühle im Leibe u. Mastdarm (Hämorrhoidalkolik), Jucken am Mittelfleisch u. Hodensack (Pruritus haemorrhoidalis), flechtenartige Ausschläge (Pygagria haemorrhoidalis) u. Abschilferungen (Intertrigo haemorrhoidalis) daselbst etc. kundgeben. Diese, Zeichen faßt man unter dem Namen Hämorrhoidalbeschwerden od. Hämorrhoidalvorboten (Molimina haemorrhoidalia) zusammen. Dauert dieser Zustand länger an, so entstehen an der äußeren Öffnung des Mastdarms u. auch an seiner inneren Fläche bläuliche Anschwellungen, die sogen. Hämorrhoidalknoten (Mastkörner, Zacken), die zumal beim Durchgang harter Kothmassen od. bei Einklemmung derselben im After in höchst schmerzhafte Entzündung (Haemorrhoides furentes) gerathen, vereitern u. zu Mastdarmfisteln Veranlassung geben können. Werden die Hämorrhoidalknoten größer, so nennt man sie Hämorrhoidalsäcke (Haemorrhoides saccata), die zum Theil nicht mehr blos in erweiterten Venen, sondern in wirklicher Blutergießung in das unter der Haut liegende aufgelockerte Zellgewebe bestehen. So lange diese Hämorrhoidalknoten ihren blutigen Inhalt nicht nach außen ergießen, nennt man sie Blinde H. (Haemorrhoides coecae). Bei weiter fortschreitender Hämorrhoidalkrankheit zeigt sich nun entweder eine vermehrte Absonderung verschiedenartigen, nicht selten scharfen Schleimes im Mastdarm u. After Schleimhämorrhoiden (H. mucosae od. H. albae) od. es kommt zu Bluterguß aus den Hämorrhoidalgefäßen (Blutige H., Goldaderblutfluß, H. rubrae). In beiden Fällen nennt man sie Fließende H. (H. fluentes); beide treten periodisch auf u. bedingen durch ihren Fluß eine Erleichterung des Zustandes, so daß durch Ursachen (Erkältung, Gemüthsbewegung, Diätfehler), welche die periodische Wiederkehr verhindern, ein unbehaglicher, ja vielleicht selbst gefährlicher Zustand (Unterdrückte H.) bedingt werden kann. Als Folgezustände langandauernder H. od. derselben Krankheit, welche die H. selbst hervorruft, stellen sich zuweilen mancherlei andere Beschwerden (Katarrhe, Schleim- od. Blutflüsse etc.) ein, u. diese nennt man zuweilen mit dem Namen Unregelmäßige H. (H. anomalae) u. spricht auch wohl von einer unreifen, nicht zu Stande gekommenen Hämorrhoidalkrankheit. Die Ursachen der Hämorrhoidalkrankheiten sind sehr verschieden. Außer der gewöhnlichsten Ursache, der Pfortaderstockung, können auch chronische Mastdarm-, Becken-, Leber-, Herz- u. Lungenleiden H. erzeugen. Männer haben mehr Anlage zu H. als Frauen u. vorzüglich die sogenannten vollblütigen Menschen. Allzureichliche, erhitzende, zu stark nährende, besonders animalische Kost, erytzende Getränke, mangelhafte Körperbewegung, Mißbrauch der Klystier- u. Abführungsmittel, Hartleibigkeit begünstigen die H. Die Behandlung der H. hat ihr Hauptaugenmerk auf Vermeidung der oben angeführten Schädlichkeiten zu richten. Sie zerfällt bei schon ausgebildeten H. in eine symptomatische Behandlung, welche nur die Aufgabe hat, die Beschwerden zu lindern, theils durch Einreibung erweichender Salben am After od. durch Sitzbäder, Erleichterung des Stuhlgangs, Entleerung der blinden H. mittelst Blutegel, Hebung von Einklemmungen etc. Die Radicalbehandlung hat nach der die H. bedingenden Grundursache zu fragen u. diese zu heben, was freilich nicht immer gelingt; unter allen Umständen aber sind Mittel, welche die allzustarke Blutbereitung mindern, den Umlauf u. die Bereitung des Blutes im Unterleibe befördern u. die Erschlaffung der Blutgefäße verhüten, von wesentlichem Vortheil. Außer den diätetischen Maßregeln ist besonders der Schwefel (auch bei Homöopathen) in Ruf als specifisches Mittel gegen H. Vgl. Montègre, Erkenntniß u. Behandlung der H., aus dem Französischen von Becker, Lpz. 1821; Rou, Erkenntniß u. Heilung der gesammten Hämorrhoidalkrankheiten, Gieß. 1821; Lepelletier, Die H., aus dem Französischen von Martiny, Weim. 1835, Mackenzie, Hemorrhoids, Lond. 1835; Pisani, Osservazione sulle emorroidi, Neap. 1840.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 917-918.
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