Haydn

[346] Haydn (Joseph), einer der ausgezeichnetsten und fleißigsten deutschen Componisten, wurde als der Sohn eines armen Wagners, der sich nebenbei durch Harfenspielen Sonntags einiges Geld zu verdienen suchte, zu Rohrau, einem Dorfe auf der ungarisch-östr. Grenze, 1732 geboren. Ein Schulmeister aus dem Städtchen Haimburg nahm sich des von allem Unterricht entblößten Knaben an, lehrte ihn Lesen, Schreiben und die ersten Anfangsgründe in der Musik. namentlich im Gesange. Bald zeichnete sich der Knabe so vortheilhaft aus, daß er, acht Jahre alt, durch Empfehlung des Dechanten von Haimburg als Chorknabe an die Stephanskirche nach Wien kam. Ohne besondern Unterricht bildete sich der junge H. hier mit dem emsigsten Fleiße, trotz der bedrängten Lage, in welcher er sich befand, aus. Im 16. Jahre verlor er seine schöne Sopranstimme, wurde aus dem Chor entlassen und suchte nun durch Privatstunden in der Musik und Spielen im Orchester ein ärmliches Auskommen sich zu verschaffen. Etwas besser wurde die Lage H.'s, als ihm der berühmte Dichter Metastasio übertrug, eine junge Dame im Gesang und Clavierspiel zu unterrichten und ihm dafür freie Wohnung und freien Tisch gab. Nachdem diese Dame Wien verlassen, kam H. abermals in große Noth, doch hatte ein im 18. Jahre von ihm geschriebenes Quartett zwar manchen Tadel, aber auch so großen Beifall gefunden, daß H. bald edle Gönner und endlich eine Anstellung als Organist bei den Karmelitern in der Leopoldvorstadt fand. Der Fürst Esterhazy machte H. 1760 zu seinem Kapellmeister und verschaffte ihm auf diese Weise eine Stellung, in welcher sich ihm Muße und Gelegenheit zu Studien und eignen Tonschöpfungen darbot. Während der 30 Jahre, welche H. in dieser Stellung zubrachte, schrieb er eine große Anzahl ausgezeichneter Compositionen, namentlich seine so berühmt gewordenen Symphonien; doch gelangte er erst zu einer seinen Talenten angemessenen Anerkennung, als er 1799 eine Reise nach England unternahm. Man nahm ihn mit Begeisterung auf und von England aus verbreitete sich sein Ruhm über Europa. Zurückgekehrt aus England, kaufte sich H. ein Häuschen mit einem kleinen Garten in der Vorstadt von Wien und schuf hier sein noch jetzt zur begeisterten Bewunderung jeden Hörer hinreißendes Oratorium: »Die Schöpfung«. Ein durch die Last der Jahre gebeugter Greis starb H. 1809. Man erzählt, daß er einige Jahre vor seinem Tode bei der Aufführung seiner »Schöpfung« selbst so von der Macht der von ihm geschaffenen Harmonien hingerissen worden sei, daß er bei der herrlichen Stelle: »Es ward Licht!« in Thränen ausbrechend, mit gen Himmel erhobenen Händen ausgerufen: »Nicht von mir, von dort kommt Alles!« Man mußte den unter der Macht des Gefühls erliegenden Greis hinwegtragen. – Als Kirchencomponist seinen Bruder fast noch übertreffend und ein ebenso tiefer Kenner der Musik, aber vom Glücke minder begünstigt war Michael Haydn, welcher 1737 geboren, in Wien gebildet wurde, dann 1757 Kapellmeister zu Großwardein, 1762 Concertmeister, endlich Domorganist zu Salzburg wurde und 1806 starb.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 346.
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