Holzschneidekunst

[410] Holzschneidekunst oder (griech.) Xylographie. Die Anwendung des Holzes zu allerlei künstlichen Arbeiten führte darauf, auch Bilder in Holz zu schneiden, und nach und nach kam man darauf, um diese Bilder durch Abdruck vervielfältigen zu können, sie so in Holz zu schneiden, daß alle Linien, welche in der Zeichnung hervortreten sollten, erhaben herausgearbeitet wurden. Es wird auf eine ebene und glatte Platte von einem feinfaserigen Holze (in der Regel Buchsbaum) eine Zeichnung gemacht, und darauf schneidet der Künstler das Holz mit verschiedenen scharfen Instrumenten so aus, daß nur die durch die Striche der Zeichnung bezeichneten Stellen stehen bleiben. Bestreicht man dann eine solche Platte mit einer Ölfarbe und druckt sie auf ein Blatt Papier ab, so erhält man eine Zeichnung, welche der ersten auf dem Holze entworfenen genau gleicht. Sowol die Platte als die Abdrücke werden Holzschnitte genannt. Die Holzschneidekunst ist älter als die Buchdruckerkunst und hat zur Erfindung dieser Veranlassung gegeben. (Vgl. Buchdruckerkunst.) Ausgezeichnete Künstler, wie Hieron. Resch, Albrecht Dürer, Luk. von Leyden, Hans Baldung gen. Grün, Hans Holbein, Hans Frank gen. Lützelburger, auch Kaiser Maximilian und verschiedene Andere haben die Holzschneidekunst zu einem hohen Grade der Vollkommenheit gebracht, und erst nachdem die Kupferstechkunst zu einem höhern Grade der Ausbildung gelangt war, wendeten sich die Künstler von der Holzschneidekunst allmälig ab. In neuerer Zeit hat man jedoch eingesehen, daß die Holzschnitte vor den Kupferstichen eigenthümliche Vorzüge besitzen, namentlich daß sie von diesen in der Kraft der Darstellung niemals erreicht werden können. Überdies haben die Holzschnitte vor den Kupferstichen auch noch den Vorzug, daß man von ihnen ungleich mehr Abdrücke machen kann, ja, daß sich die Druckplatten selbst durch Abklatschen oder Abgießen vervielfältigen lassen. (Vgl. Stereotypen.) In neuerer Zeit haben sich wieder einzelne Künstler auf das vortheilhafteste in der Holzschneidekunst hervorgethan. Der Engländer Thom. Bewick (geb. 1753, gest. 1829), die Gebrüder Unger, Gubitz und Unzelmann in Berlin, Blasius Höfel in Wien, Neuer in München und Andere haben die Kunst wieder zu einer hohen Stufe gehoben. Namentlich den Engländern verdanken wir manche Verbesserungen in der Holzschneidekunst. Eine eigenthümliche Art der Holzschnitte, welche gleichfalls schon in früherer Zeit in Anwendung war und in neuerer Zeit durch den Grafen Zanetti wieder aufgenommen worden ist, ist das sogenannte Helldunkel (ital. chiaroscuro, franz. camaïeu), bei welchem mehre einander genau entsprechende Platten zur Herstellung Eines Bildes benutzt werden. Die erste Platte enthält die Umrisse, die zweite die starken Schatten, die dritte und vierte die Mitteltinten. Diese Platten werden nacheinander auf dasselbe Blatt gedruckt und es kommt darauf an, daß sie genau aufgesetzt werden.

Nahe verwandt ist mit der eigentlichen Holzschneidekunst die Modelstecherei, welche jedoch weniger den Charakter einer schönen Kunst hat. Man pflegt nämlich die Muster, mit denen Kattune, Wachsleinewand, Papiertapeten, Spielkarten u. dgl. bedruckt werden sollen, in Holz zu schneiden und die so erhaltenen Modeln oder Formen zum Bedrucken der genannten Gegenstände, nachdem man sie mit den gehörigen Farben bestrichen, zu benutzen. Auch hier werden mehre zueinander passende Modeln angewendet, indem ein vielfarbiges Muster zu jeder Farbe ein eignes Model nöthig macht. Modelsiecherei und Holzschneidekunst werden häufig unter dem Namen Formschneidekunst zusammengefaßt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 410.
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