Tiedge

[431] Tiedge (Christoph Aug.), ein beliebter deutscher Dichter, wurde 1752 zu Gardelegen in der Altmark geboren, studirte in Halle die Rechtswissenschaften und wurde dann Secretair in dem Landrathscollegium in Magdeburg. Er gab indeß diese Stelle und die ganze juristische Laufbahn, die ihm wenig zusagte, auf und ging 1776 als Erzieher nach Ellrich in der Grafschaft Hohenstein. Er veröffentlichte seine ersten Gedichte in der Zeitschrift »Olla Potrida« und in den Musenalmanachen, welche Bürger und Voß herausgaben. Aufgefodert von Gleim (s.d.) begab er sich 1784 nach Halberstadt, und 1792 wurde er Gesellschafter und Privatsecretair des Domherrn von Stedern, erzog nach dem Tode desselben seine hinterlassenen Töchter und lebte in den reinsten Freundschaftsverhältnissen mit der Witwe bis zu deren 1799 zu Quedlinburg erfolgtem Tode. In ihrem Testamente hatte die Verstorbene für den fernern Unterhalt ihres Freundes gesorgt und Gleim war demselben zur Erlangung einer Vicariatspräbende beim Domstifte zu Halberstadt behülflich gewesen, aber T. überließ diese seinem jüngern Bruder, unternahm mehre Reisen im nördl. Deutschland und hielt sich abwechselnd in Halle und Berlin auf. Schon während seines Aufenthalts in Ellrich hatte T. die Bekanntschaft der Frau von der Recke gemacht, in Berlin sah er dieselbe wie der und wurde ihr Gesellschafter. Sie bereisten 1805–8 zusammen Deutschland, die Schweiz und Italien und lebten dann erst in Berlin, endlich seit 1819 in Dresden. Im J. 1833 starb Frau von der Recke und sorgte noch in ihrem letzten Willen für den Freund, sodaß dieser sein Alter in [431] heiterer Unabhängigkeit zubringen kann. Unter seinen Gedichten hat namentlich die »Urania« (welche zuerst 1801, zuletzt 1838 erschien) großen Beifall gefunden. Wie in allen seinen Werken, so herrscht auch in diesem eine edle, gebildete Sprache, eine tiefe Empfindung und Religiosität. Es ist ein didaktisch-lyrisches Gedicht, und so schön einzelne Stellen desselben sind, so fehlt dem Ganzen doch die poetische Einheit. Man findet weder in diesem noch in einem andern Werke T.'s große weltbewegende Gedanken, aber sie verdienen den Beifall, den sie gefunden, durch die Reinheit der Gesinnung und die Sorgfalt der Ausführung. Einzelne lyrische Theile der Urania hat Hummel in Musik gesetzt und auch dadurch zur Verbreitung derselben seinerseits beigetragen. Großen Beifall fanden auch T.'s »Elegien und vermischte Gedichte« (zuerst Halle 1803, dann in 2 Bdn., Halle 1814); »Das Echo, oder Alexis und Ida« (Halle 1812); »Ännchen und Robert« (Halle 1815). Sein letztes Werk ist das Gedicht: »Wanderungen durch den Markt des Lebens« (2 Bdchn., Halle 1833; 2. Aufl. 1836). Eine Ausgabe von T.'s »Gesammelten Werken« veranstaltete A. G. Eberhard (10 Bdch., Halle 1823 ff).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 431-432.
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