Medizin

[155] Medizīn (lat.), Heilkunst oder Arzneikunde im weitern Sinne die Wissenschaft vom gesunden und kranken Zustande des Menschen, im engern die Kunst, Krankheiten vorzubeugen und entstandene zu heilen. Den Bau des Körpers behandelt die Anatomie, die Verrichtungen und Lebensäußerungen des Körpers die Physiologie. Die Mittel zur Erhaltung der Gesundheit lehrt die Hygiene, zu der die Diätetik, die Eubiotik und die Prophylaktik gehören. Wesen, Ursachen und Erscheinung der Krankheiten erforscht die Pathologie. Mit der Erkennung und Unterscheidung der einzelnen Krankheiten befaßt sich die Diagnostik, zu der die Anamnestik und Semiotik gehören; sie bilden die Unterlage für die Prognose. Speziell mit der Heilung der Krankheiten beschäftigt sich die Therapie, die sich entweder chem. (Arzneimittel) oder physikal. (Elektrizität, Licht, Luft, Wasser, Massage etc.) Heilmittel bedient, oder auch nur durch die Ernährung zu wirken versucht (Diätotherapie). Pathologie und Therapie zerfallen zunächst in die äußere M. oder Chirurgie und in die innere M., die sich mit den Krankheiten der innern Organe beschäftigt, und in die Spezialgebiete der Geburtshilfe, Seelenheilkunde (Psychiatrie), Augenheilkunde (Ophthalmologie), Ohrenheilkunde (Otiatrie) u.a. Staatszwecken dienen die Staatsarzneikunde (gerichtliche M. und Medizinalpolizei). – Die M., in den ältesten Zeiten von den Priestern ausgeübt, erhielt durch Hippokrates im 5. Jahrh. v. Chr. eine wissenschaftliche Grundlage; außer diesem galt im ganzen Mittelalter Galenus als Autorität. Nach dem Verfall des Röm. Reichs blühte die M. bei den Arabern. Eine selbständige Wissenschaft wurde die M. durch Vesalius im 16. Jahrh., der die Anatomie des menschlichen Körpers lehrte, und auch Paracelsus wirkte reformierend; erster patholog. Anatom war Morgagni zu Anfang des 18. Jahrh. Mit der Begründung der allgemeinen Anatomie durch Bichat begann die neuere wissenschaftliche Richtung der M., die aber erst im 19. Jahrh. nach Erfindung der Auskultation (Auenbrugger, Corvisart) und Perkussion (Laënnec) von Rokitansky, Virchow, Skoda u.a. ausgebildet wurde. In neuerer Zeit kommen dazu: verbesserte Instrumente und Untersuchungsmethoden, neue Heilmethoden und Heilmittel, und bes. die Erkenntnis der Bedeutung der Mikroorganismen (Bakterien, Protozoen) für den menschlichen Organismus, worauf sich die antiseptische (Lister) und aseptische Wundbehandlung, die Anwendung der Schutzimpfung und der Serumtherapie gründet. Neben der wissenschaftlichen M. gehen einher die Homöopathie, die Naturheilkunde, die Volks-M. u.a. – Geschichte der M. von Hirsch (1893), Pagel (2 Tle., 1897), Neuburger und Pagel (3 Bde., 1901-5), E. Schwalbe (1905); Enzyklopädien gaben Eulenburg (3. Aufl., 26 Bde., 1893-1901; enzyklopäd. Jahrbücher dazu 1903 fg.) und Schnirer und Vierordt (Bd. 1, 1906), ein Handwörterbuch (2. Aufl., 2 Bde., 1899-1900) Villaret, ein Handbuch der praktischen M. Ebstein (2. Aufl., 4 Bde., 1905 fg.) heraus.

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 155.
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