Erdapfel (Kartoffel)

[460] Erdapfel (Kartoffel) oder Kartoffel, in die Familie der Solaneen gehörend, eine wegen ihres vielfachen Nutzens allgemein bekannte Erdfrucht. Sie stammt aus Virginien, wurde im Jahr 1586 von dem Engländer Franz Draken ach England und Irland gebracht, ging von dort nach Frankreich über, wo sie noch im Jahr 1616 eine große Seltenheit auf der königlichen Tafel war, und gelangte 1650 nach Deutschland. Doch erst im 18. Jahrhundert. um das Jahr 1710, wurde sie allgemein bei uns eingeführt und ist nun nächst dem Brod ein Hauptnahrungsmittel, besonders der ärmern Klassen in nördlichern Gegenden, wo die Getreidearten weniger gut gedeihen. Außer der hinlänglich bekannten Benutzung der Erdäpfel als Gemüse in den vielfachsten Gestalten, als Suppe, Brei, zu Klößen, Torten, Kuchen, zu einer Art Brod u. s. w. gereichen sie auch dem Vieh zu einem guten, nahrhaften Futter; ferner wird aus den rothen Erdäpfeln ein sehr schönes seines Mehl bereitet, so wie eine Art Sago und Graupen. Zum Branntwein bedient man sich am Liebsten der im Keller ausgewachsenen Früchte, welche schon junge Keime treiben. Ein Scheffel Erdäpfel gibt gegen 10–12 Maß guten Branntwein. In Schweden benutzt man sogar die Blätter zum Tabak. Die Fortpflanzung geschieht gewöhnlich[460] durch die Knollen, welche einzeln oder zu mehreren in ein Loch gelegt werden. Diese Pflanzengattung zerfällt in zwei Hauptabtheilungen, in Früh- und Spätkartoffeln oder Erdäpfel, von denen es wieder viele Abarten gibt Die frühen Sorten werden bei warmer Witterung im März gelegt und sind gegen Ende des Juli reif; die späten legt man Ende April oder Anfang Mai, und erntet sie im October oder November. Die weiße, blaue oder violette Blüthe zeigt sich bei diesen letztern im Juli und August. Zu den vorzüglichsten Arten gehören die Sommer- oder Zuckerkartoffeln, auch englische Kartoffeln genannt, welche nicht größer wie kleine welsche Nüsse werden, einen feinern und süßern Geschmack als die andern Sorten haben und schneller wachsen und reisen. Da die besten Erdäpfel nach mehreren Jahren ausarten, muß man immer Sorge tragen, neuen guten Samen zu erhalten. Unter dem Namen Erdapfel versteht man ferner eine aus dem Geschlecht der Sonnenblumen abstammende Pflanzengattung. Sie hat einen 8–9 Fuß hohen Stengel mit großen weichen Blättern. Die Blume gleicht der Sonnenblume, ist aber viel kleiner und bringt bei uns keinen reisen Samen. Die Knollen werden nicht größer als eine welsche Nuß und haben einen wässerigen, weichlichen Geschmack; auch sollen sie minder gesund als die Kartoffeln sein.

L. M.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 460-461.
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