Kleist, Heinrich von

[151] Kleist, Heinrich von, Heinrich von, einer der größten deutschen Dichter, gefeiert wegen seines Talentes, betrauert wegen seines Unglückes und seiner Verirrungen, wurde 1777 zu Frankfurt a. d. O. geb., trat frühzeitig in Militairdienste, nahm an dem Rheinfeldzuge gegen die Franzosen Theil, verließ aber bald die kriegerische Laufbahn und studirte 1799 und 1800 in Berlin, wo ihn der Minister Struensee in seine Dienste nahm. Später durchreiste er einen Theil von Deutschland, Frankreich und der Schweiz, wurde nach seiner Rückkehr beim Finanzministerium in Berlin angestellt, verließ aber nach der unglücklichen Schlacht bei Jena die Hauptstadt und ging[151] nach Königsberg, wo er sich, tief betrübt über das traurige Loos seines Vaterlandes, in den Privatstand zurückzog. Auf einer Reise nach Berlin ward er gefangen genommen und nach Frankreich abgeführt. Nach seiner Freilassung hielt er sich einige Zeit in Dresden auf, wo er mit Adam Müller den »Phöbus« herausgab. Als 1809 der französisch-östreichische Krieg ausbrach, hoffte Kleist, es würde im Verfolge dessen auch die Freiheitsstunde für sein geliebtes Vaterland schlagen. Er eilte nach Prag; aber Napoleon's Siege vernichteten seine Hoffnungen. – K. kehrte nach Berlin zurück, verliebte sich in Adolfine Vogel, die Frau eines Kaufmanns, und da eine Verbindung mit ihr im Bereiche der Unmöglichkeit lag, so erschoß er sich mit derselben gleichzeitig am heil. See bei Potsdam den 21. Nov. 1811. Kleist's unstätes, dornenvolles Leben mußte Einfluß auf seinen Geist, sein tragisches Ende haben. Aus fast allen seinen Dichtungen weht das Schauerliche, mit sich selbst Zerfallene, wild Lustige, Phantastische! Bei Ruhe und klarer Anschauung wäre er einer der Erhabensten geworden. – Allgemein beliebt ist sein »Käthchen von Heilbronn,« das auf den meisten deutschen Theatern eine glänzende Epoche gefeiert hat. Dasselbe gilt von seinem »Prinzen von Homburg.« Seine Phantasie ist kühn; seine. Kraft oft ungebändigt, seine Bilder, selbst wo sie über Abgründen schweben, blüthenreich; Harmonie und Wohlklang durchzieht seine verworrensten Gestaltungen. Von seinen übrigen Werken, worunter wir »die Familie Schroffenstein,« »Penthesilea,« »Amphytrion« und die »Hermannsschlacht« nennen, sind der »zerbrochene Krug,« ein Lustspiel, und die Novelle »Hans Kohlhaas« Meisterstücke. K. war vielleicht der begabteste Jünger der romantischen Schule – sein frühes Ende kam der völligen Reise seines Talentes zuvor.

4.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 151-152.
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