Alexandria [1]

[111] Alexandria = ien (Iskanderieh), gegründet 332 v. Chr. von Alexander d. Gr. durch den genialen Architekten Dinochares auf der Landzunge, welche sich zwischen dem Mittelmeere u. dem mareot. See bis an die kanopische Nilmündung erstreckt. Der Hafen wurde durch die Landzunge Lahias u. die mit ihr durch einen Damm verbundene Insel Pharus gebildet. A. wurde in wenigen Jahren die Welthandelsstadt u. blieb es bis zur mohammedanischen Eroberung. Zwei Hauptstraßen, über 100' breit, die längere 30 Stadien lang (3/4 M.), durchschnitten die Stadt rechtwinklig; ihr Umfang betrug 3 M., die Einwohnerzahl in der röm. Zeit 300000 Freie, die Gesammtzahl also gewiß 1 Mill. Die Alexandriner galten als geistreich, leichtsinnig u. unruhig, wozu die Juden, welche 2/5 der E. ausmachten, gewiß nicht wenig beitrugen. Die wichtigsten Gebäude u. Anlagen waren: die königl. Burg, später Bruchium genannt, mit den verschiedenen Gebäuden, welche dazu gehörten, 1/5 der ganzen Stadt einnehmend; unter ihnen das Erbbegräbniß der Könige von Ptolemäus I. gebaut, das zuerst Alexanders d. Gr. Leiche aufnahm; das Museum mit der großen Bibliothek; das große Theater, der Poseidonstempel. In den andern Stadttheilen: der große Handelsplatz, der wundervolle pharische Leuchtthurm, das Serapium mit großer Bibliothek, das Gymnasium. Im Westen der Stadt war die Nekropole, der große Begräbnißplatz. – Durch seine Bedeutung als Weltstadt, seine Bibliotheken und Sammlungen, durch die Freigebigkeit der ersten Könige und deren lebhaftes Interesse an wissenschaftlichen Forschungen wurde A. der Sammelplatz der griech. Gelehrten u. es entfaltete sich hier eine reiche Fülle geistigen Lebens und Arbeitens. Die Genialität der Griechen war allerdings mit dem Ersterben ihrer nationalen polit. Freiheit erloschen; Poesie, Redekunst, Philosophie, Geschichtschreibung sind in A. mehr Erzeugnisse der Kunst u. des Fleißes, streng nach den erkannten Regeln entworfen u. ausgeführt. Die Alexandriner sammelten die älteren Werke, ordneten u. kritisirten sie, bildeten die Grammatik aus, u. es bleibt ihr Hauptverdienst, daß sie die alten Schätze aufbewahrten. Nur in den mathemat. u. physikal. Wissenschaften, in der Medicin, Geographie u. Astronomie sind ihre Leistungen schöpferisch; die Namen Hippocrates, Erathostenes, Euklid, Aristarch, Ptolemäus u.a. geben davon Zeugniß. Da in A. das griechische u. orientalische Element zusammentrafen, so konnte die gegenseitige Einwirkung nicht ausbleiben. Den Einfluß der griech. Philosophie auf die jüdischen Gelehrten beweist uns Philo (s. d. Art. Philo), und wie Judenthum u. Christenthum die griech. Philosophie aufregten, zeigt besonders im 2. u. 3. Jahrh. n. Chr. die sogen. neuplatonische Philosophie. Diese konnte die christlichen Ideen nicht von sich weisen, ihren höhern Ursprung anerkannte sie aber nicht, sondern versuchte vielmehr eine Regeneration des Heidenthums, [111] indem sie christliche Ideen u. die Ergebnisse ihres philosophischen Systems in die alten Religionen hineintrug, wodurch sie dieselben von ihren inneren Widersprüchen u. vielfachen Gegensätzen zu befreien und Vernunft und Religion zu versöhnen meinte. Eben deßwegen wurden diese Philosophen auch die bitteren Gegner des Christenthums u. bekämpften dasselbe mit dem Aufgebote ihrer Gelehrsamkeit u. Dialectik, so daß Männer wie Plotinus, Jamblichus, Porphyrius u.a. die gefeierten Apologeten des Heidenthums waren. Indessen hatte das Christenthum in A. schon durch den Evangelisten Markus seine bleibende Stätte gefunden, die Gemeinde war eine der zahlreichsten u. der alex. Bischof hatte frühe schon den Primat unter den ägypt. u. benachbarten Episcopaten; die Thätigkeit der alex. Philosophen mußte naturgemäß den Widerstand der gelehrten Christen anregen u. so wurde A. auch ein Hauptsitz christlicher Gelehrsamkeit; dort lehrten u. schrieben z.B. Clemens u. Origenes (s. Katecheten), u. wie in A. die meisten Streitigkeiten u. Irrlehren entstunden, so befestigte sich auch durch Athanasius d. Gr. in A. das Dogma in schärfster, ausgeprägtester u. der Dialectik ferner unantastbarer Fassung. A. blieb Hauptplatz des Handels u. der Wissenschaft, bis es 638 von den Arabern erobert wurde; seinen Ruin vollendeten jedoch erst die Türken seit Selim I. Neu hob es sich durch Mehemet Ali, der hier meistens residirte, im Hafen eine Kriegsflotte baute, den Kanal Mahmudie aus dem Nil herleitete, es stark befestigte und zum Stapelplatz Aegyptens machte; es zählt jetzt gegen 40000 E. Aus der alten Zeit sind noch übrig ein Obelisk, Nadel der Cleopatra genannt, die Pompejussäule, Cisternen, Grabsteine u.s.w.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 111-112.
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