Encyklopädie

[556] Encyklopädie, griech.-deutsch, Darstellung wissenschaftlicher Gegenstände in einer klaren und leicht verständlichen Uebersicht. Dem Stoffe nach ist eine E. entweder eine allgemeine, universale, oder eine besondere, particulare, der Form nach eine systematische, wissenschaftlich geordnete, od. eine lexikalische, alphabetisch geordnete. Eine Universal-E. umfaßt alle Zweige des menschl. Wissens, eine Particular-E. aber behandelt alle Zweige einer einzelnen Wissenschaft, z.B. eine E. der Medicin: Anatomie, Physiologie, Pathologie, Therapie, Arzneimittellehre. In Betreff der Form hat die systematische E. den entschiedenen Vorzug, daß in ihr eine wissenschaftlich geordnete Uebersicht gegeben wird, wodurch dieselbe umfassender, klarer und belehrender wird, als dies bei der lexikalischen Form möglich ist; nichts desto weniger ist die lexikalische die fast allgemein gebräuchliche geworden, weil diese mehr dem Bedürfnisse des Publicums entspricht, welches eine E. nicht studieren, sondern in derselben die augenblicklich nothwendige oder gewünschte Belehrung finden will. Das Alterthum machte bereits Versuche, solche Darstellungen des Gesammtumfangs des damaligen Wissens aufzustellen; doch ist uns weder eine E. der Alexandriner noch die des Römers Varro erhalten. Für das Mittelalter bereitete sie Martianus Capella vor; in der 2. Hälfte desselben ist die E. des Vincenz von Beauvais, das dreifache »Speculum« bemerkenswerth, am Anfang der neueren Zeit das »Theatrum vitae humanae« von Lykosthenes, bearbeitet von Beyerlink, Köln 1631, vor allem aber das »Organon« und »De augmentis scientiarum« des Baco von Verulam, obwohl es eher eine wissenschaftliche Methodik als eine eigentliche E. ist. Die lexikalische Form erscheint 1544 bei H. Stephanus in Paris, von Bedeutung war aber erst das Dictionnaire von Bayle, und noch mehr die von Diderot und dʼAlembert herausgegebene »Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers«, Paris 1751–72, zu welcher mehre Supplemente kamen. In [556] Frankreich, England und Deutschland sind seit jener Zeit eine Menge encyklopädischer Werke erschienen, fast alle in lexikalischer Form, viele unter dem Titel: Conversationslexikon. Von engl. Werken bemerken wir: »Encyclopaedia Britannica«, 8. Aufl. London 1853 ff.; »Encyclopaedia Metropolitana«, London 1818–45; Brewsters »Edinburgh Cyclopaedia«, Edinburgh 1810–30; in systematischer Form die »Cabinet Cyclopaedia« von Lardner; in Frankreich »Dictionnaire de la conversation et lecture«, Paris 1835–39 mit Supplementen, »Encyclopédie des gens du monde«, Paris 1833–44; in Deutschland folgten auf die Arbeiten von Iselin, Hoffmann, Jablonski, Hübner etc. das Zedlerʼsche Lexikon, Leipzig 1731–50 mit Supplementen, die »deutsche E. von Köster und Roos«, Frankfurt 1778 bis 1804; »die Allgemeine E. der Wissenschaften u. Künste von Ersch u. Gruber«, die nur zu umfangsreich geworden ist; großen Einfluß durch seine weite Verbreitung erlangte das »Brockhausʼsche Conversationslexikon«; es wurde in jeder Beziehung überflügelt durch das »Universallexikon von Pierer«, 2. Aufl. Altenburg 1840–46 mit Supplementen; eine »Allgemeine Real-E. oder Conversationslexikon für das katholische Deutschland« erschien 1846–51 in Regensburg. Auch einzelne Wissenschaften wurden in lexikalischer Form dargestellt; wir haben ökonomische, Militär-, Kunst-, Künstler- etc. Lexika. Von diesen Arbeiten ist das »Staatslexikon, oder E. der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, herausgegeben von Karl von Rotteck und Karl Welker«, als ein Hebel des Liberalismus vor 1848 von Bedeutung; sodann das »Kirchenlexikon oder E. der katholischen Theologie und ihrer Hilfswissenschaften, herausgegeben von Dr. Wetzer und Dr. Welte«, Freiburg 1847–54, welches selbst auf protestant. Seite soviel Beachtung fand, daß man demselben ein protestant. Kirchenlexikon entgegenzustellen beschloß. – So viel aber in Deutschland encyklop. Werke in lexikaler Form erschienen sind und erscheinen, um so kleiner ist die Zahl der systematischen allgemeinen E.; 1756 gab Sulzer »Einen kurzen Inbegriff aller Wissenschaften«, ihm folgten Eschenburg, Krug, Burdach, Schmid etc., endlich Kirchner (Akademische Propädeutik Leipzig 1842), ohne daß eines dieser Werke sich erhielt, das eschenburg. ausgenommen, weil es vielfach als Lehrbuch benutzt wurde. Selbst die systematischen E.n der einzelnen Wissenschaften sind in neuester Zeit ziemlich selten geworden, was seinen Grund wohl darin haben mag, daß die einzelnen Wissenschaften in neuester Weise ausgebildet worden sind, indem sich die meisten Gelehrten damit bescheiden, einzelne Zweige ihrer Wissenschaft vollständig zu erfassen und weiter zu fördern. Am meisten erscheinen noch solche Werke, in denen einzelne Zweige einer Wissenschaft von Fachmännern in Form eines Lehrbuchs bearbeitet werden, so daß sich eine Art particularer E. bildet, z.B. die Bridgewater Bücher, die neue E. der Wissenschaften und Künste für die deutsche Nation in 8 Bänden, Stuttgart 1847–54.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 556-557.
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