Fieber

[701] Fieber (lat. fibris, von ferveo, heiß sein), bedeutet diejenige allgem. Krankheitsform, deren wesentliche Erscheinungen in der Aufeinanderfolge folgender 3 Symptome besteht: Frost, Hitze, Schweiß. Deutlich ausgeprägt u. regelmäßig in der angegebenen Aufeinanderfolge erscheinend, sind diese 3 verschiedenen Stadien nur im sog. intermittirenden [701] F. In den übrigen F.n, den anhaltenden u. nachlassenden, kommt das erste Stadium, Frost, nur zu Anfang des ersten F. anfalls und da oft nur vorübergehend vor, wie auch der Schweiß nicht immer als letztes Symptom sich einstellt, während die erhöhte Körpertemperatur bei keinem F. in periodischer Wiederkehr auftretend fehlt. Mit diesen 3 Cardinalsymptomen, die sich hauptsächlich in einer Abnormität des Pulses abspiegeln, welche den Begriff des F.s zusammensetzen, vereinigen sich indessen immer noch zufällige Symptome, die sich das einemal auf die Verdauungsorgane beziehen: Appetitlosigkeit, perverser Geschmack, Verstopfung, oder die Respiration berühren: Athmungsbeschwerden, Husten, Bangigkeit, oder das sensorielle Leben des Nervensystems besonders afficiren: Stumpfsinn, gesteigerte Sinnesthätigkeit etc., od. endlich es ist das specielle Kranksein nicht eines ganzen Systems, sondern eines einzelnen Organs, irgend eine Entzündung desselben, welches sich mit den allgemeinen F. symptomen vereinigt. Ueber das Wesen und die Ursachen der F. haben von Hippocrates bis auf unsere Zeit die verschiedensten Ansichten geherrscht. Man stritt sich von jeher hauptsächlich um folgende Punkte: 1) Ist F. an sich überhaupt eine Krankheitserscheinung oder nur die Folge eines vorher vorhandenen Krankseins und zwar die Reaction des Gesammtorganismus gegen Letzteres? 2) Welches ist die nächste Ursache und der Sitz des F.s? Ob das Gefäßsystem mit dem Blut das primär Ergriffene od. ob das Nervensystem es sei; ob die flüssigen od. die festen Theile des menschl. Körpers der Ausgangspunkt der F. erscheinungen seien; ob die Erscheinungen im Darmkanal jedem F. gemein und F. eigentlich nichts als eine Entzündung des Magens und Darmkanals sei, oder ob dieses nur einzelnen F.n gemeinschaftl. Erscheinungen seien; ob F. primär eine entzündliche Affection des Gehirns sei, ob es stets von einem Uebermaß von Blutfaserstoff herrühre – diese sämmtlichen Meinungen drehten sich damit immer um die erste Frage über die Essentialität der F. herum. In gegenwärtigem Augenblicke wird dieselbe wohl von Niemand bezweifelt, wenn man darunter versteht, daß es solche primär von keinem einzelnen Organe ausgehende, sondern primär von ganzen anatomischen Systemen ausgehende und darin verlaufende Krankheitsformen mit den bekannten Formen des F.s gebe, z.B. sämmtl. Ausschlags-F., Scharlach, Masern, Blattern etc., damit aber nicht sagen will, jedes F. sei ein essentielles, z.B. ein zu jeder bedeutenden Verletzung hinzutretendes. Die Classification der F. wird gegenwärtig gegründet 1) auf die Verschiedenheit der Wiederkehr der 3 F. stadien. Man unterscheidet: anhaltende, intermittirende, remittirende F.; die intermittirenden sind wieder Quartan, Tertian, Quotidianfieber; 2) auf die Verschiedenheit der vorzüglich mitergriffenen Organe: Nerven-F., Schleim-F., Gallen-F., gastrisches F.; auf die Verschiedenheit der mit dem F. complicirten Krankheitsprozesse: Entzündungs-F., hectisches F., Faul-F., exanthematisches F., typhöses F., gelbes F., rheumatisches, catarrhalisches F. Es versteht sich, daß man noch verschiedene Momente, z.B. Dauer, Gefährlichkeit, geograph. Vorkommen etc. benutzen kann und diesen nach spricht man noch vom schleichenden und acuten F., perniciösen, tropischen, epidemischen, endemischen F. n. – Verlauf u. Ausgang der F. ist sehr verschieden. Bei regelmäßigem Verlauf vermindern sich mit dem Erscheinen irgend einer Excretion: Urin, Schweiß, Diarrhöe im 3. Stadium (dem des Schweißes) die Krankheitssymptome. Weil dadurch die Krankheit nach der hippocrat. Ansicht sich entweder auf einmal oder allmälig entscheidet, so hieß man von jeher diese Erscheinungen critische, die Tage, an denen sie gewöhnlich kommen, critische, in der Regel die ungeraden 3., 5., 7. etc. Außer diesem einfachen Verlauf kann das F. in alle möglichen Krankheitsprozesse ganzer Systeme oder einzelner Organe, somatische u. psychische Krankheiten aller Art übergehen, je nach der Natur des F.s und dem Naturell des einzelnen Individuums. Endlich [702] geht das F. direct in den Tod über. – Die Prognose ist von verschiedenster Art, von der günstigsten bei einem einfachen Wund-F., einer leichten Verletzung, bis zur ungünstigsten bei den bösartigsten Pesten des Orients und der tropischen Länder. – Die Behandlung des F.s theilt sich im Begriffe in die Behandlung der F. symptome u. die der mit dem F. combinirten oder complicirten Krankheitsformen. Was das F. an sich betrifft, so ändert sich dieselbe nach den Symptomen der einzelnen Stadien. Im 1.: Anwendung äußerer Wärme, erwärmender Getränke, krampfstillender narcotischer Mittel in Verbindung mit nervinis; im 2.: Anwendung der sog. Antiphlogistica; im 3.: je nach Umständen Mittel, welche die Absonderung des Urins, Stuhlganges, Schweißes befördern. Eine specif. Behandlung erfordert das sog. Wechsel-F., intermittirende, kalte F., Malaria-F., Sumpf-F. Neben der oben bezeichneten symptomatischen Behandlung der F. stadien ist hier die Anwendung einer unter dem Namen Antifebrilia od. febrifuga bekannten Klasse von Specificis angezeigt. Hieher gehört vor Allem die Chinarinde und ihre Alcaloide, das Salicin der Weidenrinde, überhaupt die meisten bitteren Vegetabilien, welche tonisch wirken, z.B. F.klee, das Cardobenedictenkraut, Enzian; ferner manche scharfe Gewürze, Pfeffer, Cayenne- und span. Pfeffer, endlich als ganz eigenthüml. Specificum der Arsenik, der für die schweren u. schwersten Formen reservirt wird.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 701-703.
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