Steine

[321] Steine, welche im thierischen Organismus vorkommen, sind abnorme Concremente, welche entweder durch Eindickung thierischer Säfte oder durch Incrustation fremder Körper entstanden sind. Durch Eindickung der Galle entstehen in der Gallenblase Gallen-S., durch Ablagerung von Kalksalzen aus dem Blut entstehen in den Venen Venen-S., in den Arterien Verknöcherungen der Arterien. Ebenso lagern sich z.B. in den Lungen und anderen parenchymatösen Organen aus erweichter Tuberkelmasse kalkartige Concremente ab. Durch Incrustation fremder Körper im Darmkanal, in der Blase, den Harnleitern in dem Nierenbecken entstehen Darm-, Blasen-, Nieren-S. Bei weitem die wichtigsten S., theils wegen ihres häufigen Vorkommens, theils wegen ihrer Folgen für das Leben u. deßwegen der mannigfachen operativen Technicismen halber, sind die Blasen-S. Wenn es nicht gelingt im Entstehen durch innerliche Arzneimittel die Weiterbildung derselben zu verhindern und die ersten Anfänge derselben wieder aufzulösen, so gibt es nur mechanische Mittel, d.h. operative Hilfe gegen dieses meistens sehr schmerzhafte Leiden. Gegenwärtig wird der Stein entweder durch den Steinschnitt (lithotomia) aus der Blase als Ganzes entfernt oder er wird in der Blase selbst zerbröckelt und in kleinen Fragmenten aus der Blase durch die Harnröhre entfernt. Alle übrigen Mittel, einen Blasenstein [321] zu entfernen, müssen als bisher unpraktisch verworfen werden. Die ältere Art der Kunsthilfe ist die des Steinschnitts, und zwar gibt es deren eine Unzahl Methoden. Die historisch berühmtesten Methoden sind 1) der Steinschnitt mit der kleinen Geräthschaft (apparatus parvus), auch die Methode des Celsus genannt. 2) Der Steinschnitt mit der großen Geräthschaft (apparatus magnus, auch sectio Mariana genannt), zu Anfang des 16. Jahrh. von Marianus Sanctus de Barletta bekannt gemacht. 3) Der hohe Apparat (apparatus altus), zuerst von Franko 1561 geübt. 4) Der Seitensteinschnitt (sectio lateralis), von Franko erfunden und durch Jacques Beaulieu zu Ende des 17. Jahrh. hauptsächlich geübt, gegenwärtig eine der üblichsten Methoden. 5) Die sectio bilateralis von Dupuytren. 6) Die sectio rectovesicalis von Vegelius im 16. Jahrh., zu Ende des 18. Jahrh. von Hofmann, später von Sanson u. A. geübt. Die Steinzertrümmerung, obgleich auch schon alt und zuerst von einzelnen Laien an sich versucht, wurde doch erst 1823 durch Civiale Leroy und Amussal in die Chirurgie eingeführt. Sie beruht auf der Idee: durch die Harnröhre eine metallene Röhre in Form eines Katheders einzuführen, in der Blase mittelst eigener Vorrichtungen den Stein zu fassen, denselben zu zerkleinern und endlich die einzelnen Fragmente mittelst Einspritzen von lauem Wasser auszuspülen. Daß diese Procedur in Zwischenräumen oft wiederholt werden muß, versteht sich. Die Blasen-S. entstehen in der Regel dadurch, daß sich um einen, aus Harnsediment, das sich in der Blase gebildet hat, bestehenden Kern Incrustationen aus dem zur Sedimentirung geneigten Harne schichtenweise anlegen u. im Laufe der Zeit oft ein nicht unbedeutendes Volumen erreichen. Die Substanzen, aus welcher die Blasen-S. meistens bestehen, sind entweder Harnsäure und harnsaures Ammoniak, oder oxalsaurer Kalk, oder phosphorsaures Talkammoniak, in seltenen Fällen Xystin.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 321-322.
Lizenz:
Faksimiles:
321 | 322
Kategorien: