Beizen [2]

[659] Beizen, in den verschiedenen Zweigen der Gerberei diejenigen Prozesse, durch welche die Häute geschwellt (s. Schwellen) oder von dem aus dem Aescher herrührenden Kalke und sonstigen Unreinigkeiten befreit werden sollen.

Man verwendet hierzu entweder direkt stark verdünnte freie Säuren oder sauer reagierende Salze (Schwefel-, Salz-, Essig-, Milch-, Kohlen-, Kresotinsäure, Borol) oder Flüssigkeiten, in denen durch Gärung sich Säuren gebildet haben (weiße Schwellbeize: in saure Gärung übergegangener Aufguß von Gerstenschrot, Weizenkleie u.s.w.; rote Schwellbeize: durch Gärung sauer gewordene Lohbrühe) oder schließlich in Gärung übergegangene und mit Wasser abgebrühte Exkremente von Tieren (Hunde-, Tauben- und Hühnerkotbeize). Die Säuren und sauren Salze führen den aus dem Aescher herrührenden Kalk in lösliche Kalksalze über. Die Wirkung der Kotbeizen wird im wesentlichen als eine mechanische aufgefaßt. Die durch gewisse Bakterienarten im Kote gebildeten Stoffwechselprodukte führen die Blößen aus dem geschwellten Zustande in den verfallenen über, und in diesem läßt sich der Kalk durch mechanische Bearbeitung auf dem Baume aus den Blößen entfernen. Sowohl Wood als auch Popp und Becker haben nachgewiesen, daß in den Kotbeizen einerseits solche Bakterienarten vorhanden sind, die bei dem Beizprozeß günstig auf die Haut wirken, anderseits auch solche, die einen ungünstigen Einfluß ausüben. Unter Benutzung dieser Tatsache haben dieselben eine künstliche Kotbeize (Erodin) hergestellt. Hierzu haben de als Nährboden für die Reinkulturen von günstig wirkenden Bakterienarten Fleischabfälle u. dergl. verwendet. Auf diese Weise hat man eine Beize zur Verfügung, bei der man mit dem ekelerregenden Kote nichts zu tun hat und die in ihrer Wirkung viel gleichmäßiger als die eigentliche Kotbeize ist.

In der Lederfärberei versteht man unter Beize diejenigen Lösungen, die vor der eigentlichen Farbstofflösung auf das Leder aufgetragen oder oft auch direkt mit der Farbstofflösung vermischt werden und die den Zweck haben, die Farbstoffe durch den zuletzt stattfindenden Auftrag von Metallsalzlösung (s. Nachdunkler, das sind Lösungen von schwefelsauren Salzen, wie von Alaun und den verschiedenen Vitriolen) besser und schneller zu fixieren. Als Beizen verwendet man solche Substanzen, welche die genannten Salze in basische überführen, weil die Farbstoffe von diesen schneller und besser fixiert werden als von neutralen Salzen. Es dienen als Beiden z.B. fauler Urin, der seine Wirksamkeit dem Gehalt an kohlensaurem Ammon (Hirschhornsalz) verdankt, ferner verdünnte Lösungen von Hirschhornsalz, Soda oder Pottasche, ebenso verdünntes Ammoniak. Zuweilen setzt man diesen Lösungen auch noch Kaliumbichromat zu, wodurch die Farben dunkler werden. Es bedürfen natürlich nur diejenigen Farbstoffe einer Beize, die nicht direkt färben, wie z.B. die verschiedenen Farbholzabkochungen, während die meiden in der Lederfärberei verwendeten Anilinfarben das Leder direkt färben. Beim Färben von lohgarem Leder mit basischen Anilinfarbstoffen wirkt der im Leder befindliche Gerbstoff als Beize; tollen mineralgare Leder mit derartigen Farbstoffen gefärbt werden, so müssen sie zuvor mit einem vegetabilischen Gerbstoff, mein durch eine Behandlung mit Sumach, gebeizt werden.

Päßler.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 659-660.
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