Grubenförderung [1]

[640] Grubenförderung umfaßt die Beförderung der durch den Bergbaubetrieb gewonnenen Mineralien (einschließlich der Berge) aus den Abbauen (s.d.) bis zur Tagesoberfläche und der in der Grube benötigten Materialien in umgekehrter Richtung; sie zerfällt nach der Verschiedenheit der erforderlichen Hilfsmittel in die Förderung aus den Abbauen bis auf die Hauptförderstrecken, welche in der Hauptsache abwärts erfolgt, in die Streckenförderung (s.d.) mit vorwiegend horizontaler Bahn (doch wird hierzu gewöhnlich auch die Bremsbergförderung und Haspelförderung [s.d.] gerechnet) und die Schachtförderung (s.d.), welche aufwärts stattfindet.

Die Grubenförderung ist ein sehr wichtiger Zweig des Betriebes, zumal in neuerer Zeit wegen der Größe der Grubenfelder die Förderwege nicht selten bis zu 2 km lang werden und zu gleicher Zeit die Menge der durch eine Schachtanlage zu fördernden Massen immer mehr anwächst. Um so bedeutsamer ist es, durch guten Zustand der Förderwege und Gerätschaften, durch Ersparung alles unnötigen Transportes, z.B. der Berge, welche versetzt werden können, durch Anwendung von Tier- und Menschenkraft und Vermeidung oder Erleichterung des Umladens die Förderkosten für die Einheit (1 tkm) herabzudrücken.

Die Förderung der gewonnenen Mineralien aus den Abbauen bis auf die Förderstrecken findet bei steil stehender Lagerstätte (etwa bis zu 45° Neigung abwärts) durch die eigne Schwere der Massen statt in Vorrichtungen, welche Rollen, Rollöcher, Förderrollen oder Rollschächte genannt werden, das Gut rollt abwärts.[640]

Die Rollen sind je nach der Neigung gezimmerte Gerinne oder Lutten (Rohre von rechteckigem oder kreisrundem Querschnitt); auch werden zu dem Zwecke Schächte im Gestein ausgeschossen oder durch Zimmerung, häufiger Mauerung, im Bergeversatz ausgespart. Das letztere geschieht fall regelmäßig beim Firstenbau (s.d. und Fig. 1). Die Rollen sind entweder unten offen, dann fällt das Fördergut auf die Streckensohle und muß mit der Schaufel oder mittels Trogs und Kratze in die Streckenfördergefäße gefüllt werden (s. Wegfüllarbeit), oder die Rollen sind unten derart geschlossen, daß man die Massen durch zeitweiliges Oeffnen eines Verschlusses (Einsetzpfosten, Schieber, Lid) in den darunter gefahrenen Hund ablassen kann. Fig. 1 zeigt die Einrichtung einer geschlossenen Rolle beim Firstenbau. Der Rollenraum ist im Bergeversatz dadurch hergestellt, daß zwischen dem Hangenden und Liegenden in Höhe der Streckenfirste (s. Strecke) zwei Mauerbogen M eingespannt und darauf die trockenen Bergemauern TV bis in die Höhe des Abbaues aufgeführt sind. Der Verschluß der Rolle stützt sich gegen die Rollsäulen S, f ist der Rollenboden, die Seiten werden durch die Verschalung c geschlossen, ebenso bis auf eine rechteckige, über dem Rollenboden verbleibende Oeffnung, den Rollenschlund R, die der Förderstrecke zugekehrte Seite durch die Deckhölzer b. Auf den nach vorn verlängerten Rollenboden sind Seitenwände aufgesetzt und daran das aufklappbare Gerinne r beteiligt; der Rollenschlund kann durch Einsetzpfosten e geschlossen werden. In den Hund H rollen nach Niederschlagen des Gerinnes und Lüftung der Einsetzpfosten aus dem Rollenschlunde die Massen von selbst ab. Um Versetzungen zu vermeiden, dürfen nicht zu große Stücke in die Rolle gefüllt werden. Die obere Oeffnung im Abbau ist für gewöhnlich durch darüber gelegte Hölzer geschlossen, die Förderung bis zur Rolle geschieht je nach der Entfernung und den Raumverhältnissen durch Werfen mit der Schaufel, durch Tragen auf dem Troge oder durch Laufkarren.

Ist die Neigung der Lagerstätte so gering, daß die Massen nicht mehr rollen, so kann außer dem Laufkarren, namentlich bei niedrigen Bauen, die schleppende oder schleifende Förderung angewendet werden. Als Fördergefäße dienen aus Weiden geflochtene Körbe oder Schleppkästen. Der Fördermann schiebt bei größerer Neigung das Gefäß vor sich her oder schleppt (zieht) es bei geringerer Neigung an einer Kette mit Schulterriemen. Daher heißen die Förderleute auch Schlepper. Statt schleppen sagt man auch trecken.

Als Förderbahn dienen die glatte Sohle oder auf Stegen beteiligte Pfosten (p, Fig. 2 und 3, welche die einfache Bauart eines Schleppkastens zeigen). Bei geringerer Bahnneigung ist der Schleppkästen mit eisenbeschlagenen Kufen k versehen, um die gleitende Reibung zu vermindern (in diesem Falle Schlitten genannt); die Schleppbahn p besteht aus drei Schwarten, wodurch das Spurhalten erleichtert wird.

Bei der Schleppförderung ist durch Anlage geeigneter Sturzbuhnen dafür Sorge zu tragen,[641] daß das Umladen in die Streckenfördergefäße bequem vor sich geht. Enge Schleppstrecken heißen auch Schleppässe. In Fig. 4 ist P der Schleppaß mit der Schleppbahn p, s ist der Schleppkahn, T der Sturzplatz, H der Hund, St die Streichstrecke.

In den Strebbauen des Mansfelder Kupferschieferbergbaues, deren Höhe nur 0,4–0,5 m beträgt, findet eine eigenartige Schleppförderung mit niedrigen Schlepphunden statt (s. Fig. 5), dort auch Strebräderhunde genannt. Der Karten ist einschließlich der Räder nur 0,25 m hoch, 1,4 m lang und 0,6 m breit, der Schlepper kriecht, auf der Seite liegend, mit Hilfe von Achsel- und Beinbrett und zieht den Hund an einer kurzen Fessel hinter sich her, indem er den freien Fuß gegen die Firste stemmt. – Kleine Hunde, welche beim, Kohlenbergbau in niedrigen Abbaustrecken an Stelle der Schleppkahn auf Schienengleisen verkehren, heißen Flözhunde im Gegensatz zu den Streckenhunden. – Tragende Förderung in Körben, Ledersäcken u. dergl. auf dem Rücken der Arbeiter wird nur in sehr unregelmäßigen Bauen oder bei sehr reichen Erzen angewendet, um auch den kleinsten Verlust zu vermeiden.

In neuerer Zeit sind zur Förderung aus den Abbauen bis auf die Förderstrecken bei geringer Neigung in ausgedehntem Maße an Ketten aufgehängte eiserne Rinnen (Schwingrinnen) verwendet worden, besonders bei streichendem Abbau an breitem Stoße; sie werden aus einzelnen Teilen von etwa 2 m Länge zusammengesetzt. Das Gut wird in die Rinnen geschaufelt, sie dienen also zu gleicher Zeit als Behälter. Ist ein Hund, ähnlich wie in Fig. 4, unter das untere Ende der Rinne gefahren, so wird sie durch Menschenhand oder durch Antasten eines kleinen Motors in schwingende Bewegung versetzt und das Gut rutscht abwärts. Wird die Uebertragung vom Motor aus derart angeordnet, daß sich eine langsame Vorwärts- und eine schnelle Rückwärtsbewegung ergibt, so kann in solchen Rinnen wagerecht und sogar einige Grade ins Steigen gefördert werden.

Treptow.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 640-642.
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Lueger-1904: Grubenförderung [2]

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