Hängebahnen [3]

[345] Hängebahnen (Bd. 4, S. 708 ff.); vgl. a. Seilbahnen, Krane für Massentransport, Haufenlager, Kesselhäuser und Silospeicher.

Die Hängebahnen haben sich in den zwei letzten Jahrzehnten wegen ihrer außerordentlich großen Vorzüge (vgl. unten) ganz gewaltig entwickelt und verbreitet. Die Hängebahnen bestehen entweder für sich oder sie bilden den Anschluß an Seilschwebebahnen (vgl. Seilbahnen). Für die Hängebahnen kommen in Betracht Wagen mit Trapezquerschnitt bezw. Muldenform oder vielgestaltige Wagen für die verschiedensten Sonderzwecke (Säcke, Kisten, Ballen, Tonnen, Langholz, Scheitholz, Eisenträger, Formsteine u. dergl.). Danach unterscheidet man: Muldenkipper, Trichterwagen mit Boden- oder Seitenklappen (Selbstentlader, s.d.), Muldenkörbe für Koksförderung, Gießpfannenwagen, Etagenwagen u. dergl. Auch Greiser und ganze Wagen für schmalspurige Standbahnen bilden das Gehänge. Die Last bezw. das Gefäß für die Nutzlast hängt entweder fest oder in senkrechter Richtung beweglich am Hängebahnwagen:[345]

in letzterem Falle erfolgt der Hebevorgang von Hand oder (besonders bei den Elektrohängebahnwagen [s. unten]) durch eine mittels Hubmotors zu betätigende Winde (Elektrowindenbahnen). – Wichtige Verwendungen in Schlachthäusern, Ställen und Scheunen, in fast allen Industrien, im Berg- und Hüttenwesen, auf Gasanstalten, in Fabriken, Kesselhäusern, für Schuppen, Speicher und Freilager, auf Bahnhöfen u.s.w. sowie auch für Menschenbeförderung (Schwebebahnen).

Während Fig. 14 die allgemeine Anordnung der von Kaiser & Co. in Kassel gelieferten Hängebahnen in Dresdens neuem Schlachthof [1] zeigt, geben Fig. 5 u. 6 die daselbst verwendeten Weichen im einzelnen wieder. Der Antrieb erfolgt wie bei den Futterhängebahnen (Fig. 7) [2] von Hand, während bei den Hochgleisen in langen Scheunen u.s.w. (Fig. 8) [2] meist Zugseilantriebe vorhanden sind. – In ähnlicher Weise werden Kettentriebe benutzt bei den sogenannten Schaukeltransporteuren (Fig. 9) [3], bei denen durch die sinnreiche Ausführung von Kreuzgelenken (z.B. von Stotz in Stuttgart nach seinem D.R.P. Nr. 174461) Raumkurven der verschiedensten Art angeordnet werden können (Glas-, Zement- u. dergl. Fabriken, Ziegeleien u.s.w.).

Mit dem Namen Elektrohängebahnen, um deren Ausbildung sich ganz besonders verdient gemacht hat die rühmlichst bekannte Firma A. Bleichert & Co. in Leipzig-Gohlis, werden selbsttätige Schwebebahnen bezeichnet, deren Wagen durch Elektromotoren angetrieben werden, die in entsprechende Laufwerke eingebaut sind [4].

Als Laufbahnen (Fig. 10 u. 11) kommen vornehmlich zur Anwendung Spezialschienen, die mittels eiserner Hängeschuhe oder Konsolen an der Decken- und Dachkonstruktion oder an Befestigungsmauern von Gebäuden bezw. im Freien meist an eisernen oder hölzernen Stützen[346] aufgehängt werden; häufig werden auch I-Eisen (Fig. 11) als Laufbahn verwendet.

Für Hängebahnschienen kommen zweiräderige Laufwerke in Anwendung, die auf dem Kopfe der Schiene fahren (Fig. 10), bei I-Bahnen besitzen die Laufwerke vier Räder, die auf dem unteren Flansche der I-Schiene rollen (Fig. 11). Jedes Laufwerk ist ausgerüstet mit ein oder zwei staubdicht und wetterfest gekapselten Fahrmotoren, die mittels Stirnrädervorgelege die Laufräder antreiben, einer Magnetbremse, die gleichzeitig mit dem Anker Strom erhält (also beim Einschalten des Stromes gelüstet wird und beim Ausschalten des Stromes einfällt), und einem Stromabnehmer, gegebenenfalls auch einem Steuerschalter zum Aendern der Fahrrichtung des Wagens.

Als Fördergefäße finden Anwendung eiserne Kasten, die in. zwei Stirnzapfen drehbar gelagert sind und sich durch Auskippen entleeren oder seitliche Klappen zur Entleerung besitzen, außerdem Plattformen und sonstige Vorrichtungen verschiedenster Art.[347]

Der Strom wird dem Laufwerk mittels Kontaktleitungen, die parallel zur Laufschiene ausgespannt sind, zugeführt. Gewöhnlich wird die Fahrleitung einpolig ausgeführt und der Strom durch die Laufschienen zurückgeleitet, die zu diesem Zweck untereinander und mit der Erde gut leitend verbunden sind.

Infolge der Einfachheit und Leichtigkeit der Stromzuführung paßt sich die Elektrohängebahn den örtlichen Verhältnissen in der denkbar günstigsten Weise an. Schwierige Gleisanlagen, Weichen und Kurven bis zu 2 m Halbmesser werden in einfacher und durchaus sicherer Weise befahren. Deshalb finden die Elektrohängebahnen in der Hauptsache Anwendung in dem inneren Betriebe von Fabriken und Hüttenwerken, wo die Transportwege durch bestehende Gebäude beengt sind.

Steigungen bis zu 5% können mit Elektrohängebahnwagen ohne weiteres befahren werden. Für Steigungen bis zu 15% kommt Zahnstangenbetrieb zur Anwendung bei noch größeren Steigungen bis zu 45% kommen Hilfseile zur Verwendung (Elektroseilbahnen).

Der Betrieb einer Elektrohängebahn vollzieht sich vielfach selbsttätig, d.h. die Wagen fahren ohne Beaufsichtigung und halten an den vorgesehenen Haltestellen von selbst an. Das Einschalten der Wagen zum Abfahren geschieht durch an den Haltestellen befindliche Zugschalter.

Um den Abstand der Wagen auf der Fahrt zu regeln und zu verhindern, daß die Wagen aufeinander auffahren, wird eine Streckenblockierung (D.R.P.) angewendet Die Fahrleitung[348] ist zu diesem Zweck in voneinander isolierte Strecken eingeteilt, deren Länge dem halben Wagenabstande entspricht. Jede Strecke besitzt am Anfang und am Ende je einen Streckenschalter, der vom Wagen betätigt wird. Hat ein Wagen eine Strecke verlassen, so betätigt er den dort befindlichen Schalter und macht die Strecke stromlos. Sobald er eine Strecke weitergefahren ist, schaltet er die vorher stromlos gemachte Strecke wieder ein und macht gleichzeitig die eben verlassene Strecke stromlos. Zwischen zwei auf der Fahrt befindlichen Wagen ist also immer eine stromlose Strecke, auf welcher der nachfolgende Wagen zum Halten kommt, bis der andre sich in vorgeschriebener Entfernung befindet. Die Beladung der Wagen, die auch selbsttätig erfolgen kann, wird z.B. durch Fig. 12 veranschaulicht. Die Größe der Lasten schwankt zwischen 300 und 2000 kg, die Fahrgeschwindigkeit zwischen 1 und 2,5 m/Sek. – Die Bahnlinie wird entweder als geschlossener Kreis oder als offene Strecke (alsdann mit Pendelbetrieb) ausgeführt. Die Entladung kann durch feste oder durch fahrbare Anschläge auch längs einer größeren Strecke selbsttätig erfolgen [5]. – Als Stromart für den Betrieb der Elektrohängebahn findet Gleichstrom von 110 bis 220 Volt Spannung Anwendung; Drehstrom ist für Elektrohängebahnen weniger gut geeignet, da in diesem Falle zwei bezw. drei[349] Schleifleitungen benötigt werden und die Leitungsführung in den Weichen schwierig ist. In Fällen, wo nur Drehstrom vorhanden ist, behilft man sich durch Aufteilung eines Drehstrom-Gleichstrom-Umformers; die Kosten des Umformers werden durch die Ersparnis an Oberleitung ausgeglichen.

Der Arbeitsbedarf von Elektrohängebahnen ist gering. Um 1000 kg Nutzlast auf wagerechter Bahn 1 km weit zu befördern, sind etwa 0,06 Kilowattstunden erforderlich. Beim Bezug des Stromes aus einem Elektrizitätswerk zum Preise von 0,20 ℳ. für die Kilowattstunde stellen sich also die Stromkosten auf 1,2 Hängebahnen [3] für den Tonnenkilometer, bei eigner Anlage noch erheblich niedriger. Häufig werden die Elektrohängebahnwagen mit elektrischer Winde ausgerüstet zum Heben und Senken der Transportgefäße (Fig. 1315) [6]. (Aufzustapelnde Gesamtmenge an Salpeter rund 25000 t; Durchschnittsförderleistung rund 600 Sack oder 601 pro Stunde.) – Eine Pohligsche Führerlaufkatze zeigt Fig. 16 [7]. Besondere Erwähnung verdient ferner das von Bleichert bereits mehrfach mit bestem Erfolge angewandte Kokslösch- und -förderverfahren nach Patent Illig [8].

Besondere Vorzüge der Elektrohängebahnen sind die folgenden: Die Bahn läßt den Bodenraum, der für Fabrikations- und andre Zwecke zu benutzen ist, frei: Die Linienführung der Bahn paßt sich in weitgehendem Maße den örtlichen Verhältnissen an, da Kurven kleinsten Halbmessers durchfahren und beliebige Abzweigungen eingeschaltet werden können. Die Elektrohängebahn befördert die Güter nicht nur wagerecht, sondern in Verbindung mit der Drahtseilbahn als »Elektroseilbahn« auch in beliebigen Steigungen und mit »Windenwagen« auch in senkrechter Richtung, ohne daß eine Umladung nötig wäre. Sie stellt daher ein überaus vielseitiges Fördermittel dar und ist imstande, eine ganze Reihe andrer Fördermittel zu ersetzen, ermöglicht also eine einheitliche planmäßige Durchführung aller Transporte. – Bei der Vergrößerung von Fabrikanlagen kann die Bahnlinie ohne weiteres verlängert oder durch Abzweigungen erweitert werden. Die Leistung läßt sich durch Einstellung neuer Wagen jederzeit erhöhen. – Die Anlagekosten sind gering, der Kraftverbrauch ist sehr niedrig, und die Ersparnis an Bedienung ist aufs äußerste getrieben. Daraus ergeben sich überaus niedrige Betriebskosten[350] und last, not least: Unabhängigkeit vom Arbeiterpersonal. – Dies alles gibt dem Werkleiter eine Freiheit in seinen Dispositionen, wie sie kaum bei einem andern Fördermittel in gleichem Umfang möglich ist.

Einschienenbahnen als Hängebahnen finden wir für Personenverkehr in größerem Maßstabe zuerst bei der bekannten Langenschen Schwebebahn [9] in Elberfeld-Barmen, die im Herbst 1900 in Betrieb genommen wurde. Aus dieser Bahn hat sich die erste Berg-Schienenschwebebahn in Loschwitz bei Dresden (Fig. 17 und 18) entwickelt, und in jüngster Zeit sind dann entstanden die Berg-Seilschwebebahnen mit Zwischenstützen für Personenbeförderung, die besonders behandelt sind unter den Seilbahnen (s.d.) [10].

Da wie bei allen Förderanlagen eine der wichtigsten Aufgaben den Wägeeinrichtungen zufällt, so sei durch Fig. 19 [11] auch auf diese Frage bei den Hängebahnen verwiesen. – Im übrigen vgl. [12].


Literatur: [1] Buhle, Dresdens neuer städtischer Vieh- und Schlachthof, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1912, S. 345 ff.; Ders., Massentransport, Stuttgart 1908, S. 67 ff. – [2] Ders., Industriebau 1912, S. 69 ff., und Mühlen- u. Speicherbau 1913, S. 131 ff. – [3] Ders., Massentransport, S. 63, s.a. Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1912, S. 608 ff. – [4] Ders., Technisches Magazin 1910, Heft 3, S. 164 ff., vgl. a. »Stahl u. Eisen« 1908, S. 299 ff. (Koppel in Berlin). – [5] Ders., Die Kohlenförder- u. -lageranlage der Gasanstalt I in Leipzig (Unruh & Liebig in Leipzig), Dingl. polyt. Journ. 1909, S. 369 ff. – [6] Ders., Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1913, S. 407 ff. – [7] Ders., Massentransport, S. 65. – [8] Ders., Organ f. d. Fortschr. d. Eisenbahnwesens 1908, Heft 17. – [9] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1900, S. 1373 ff. – [10] Buhle, Seilschwebebahnen für den Fernverkehr von Personen und Gütern, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1913, S. 1783 ff. – [11] Brix, Kontrolleinrichtungen und selbsttätige Wagen für Förderanlagen, Fördertechnik 1913. – [12] Allgemeines: v. Hanffstengel, Die Förderung von Massengütern, II. Bd., Berlin 1909. – Hüttenwesen: Lilge, Hochofenbegichtungsanlagen, Berlin 1913; Pape, Kupolöfen (Demag), »Stahl u. Eisen« 1912, S. 1600; ebend. (Gießerei) S. 1824 ff. (System Rein, Hannover); ebend. 1913, S. 607 ff. (Hängebahn mit Schubvorrichtung [Kette mit Mitnehmern]); ebend. S. 786 (Weichen); ebend. S. 899 (Leber, Zweischienenhängebahn); »Glückauf« 1913, S. 845 ff. (Kokereianlage); Stahlblechhängebahnen von Tourtellier & Fils in Mühlhausen, Fördertechnik 1912, S. 59 ff. – Kohlenlager (Bleichert) [Hedwigshütte in Charlottenburg], Organ f. d. Fortschr. d. Eisenbahnwesens 1913, S. 238 ff. – Kesselhäuser (Bleichert), Glasers Annalen 1911, II, S. 160; desgl., Verkehrstechn. Woche 1912, S. 1155 ff. – Gaswerke: Elektr. Kraftbetriebe u. Bahnen 1911, S. 475 ff. (Bautag); ebend. 1912, S. 134 ff.; Journ. s. Gasbel. u. Wasservers. 1911, S. 743 ff. u. 1245 ff. – Motorlaufwinden: E.T.Z. 1912, S. 564 ff. – Papierfabrik in Holland (Demag), Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1913, S. 1200. – Unterirdische Drahtseilhängebahn von Pohlig, »Glückauf« 1913, S. 771. – Bahnhöfe, Güterschuppen u.s.w., Organ f. d. Fortschr. d. Eisenbahnwesens 1911, S. 93, 112, 183 ff.; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1911, S. 2029; ferner: Verkehrstechn. Woche 1911, S. 197 ff. (Rentabilität); Zentralbl. d. Bauverw. 1912, S. 456 ff. (Kosten). – Kosten von Hängebahnen: Buhle, Abschnitt »Hebe-, Förder- und Lagermittel« im Osthoff-Scheck, »Kostenberechnungen«, 7. Aufl. (Spamer, Leipzig), S. 785 ff.

M. Buhle.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 5 und 6.
Fig. 2., Fig. 5 und 6.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 7.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 8.
Fig. 9.
Fig. 9.
Fig. 10., Fig. 11.
Fig. 10., Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 12.
Fig. 13.
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Fig. 14 und 15.
Fig. 14 und 15.
Fig. 16.
Fig. 16.
Fig. 17.
Fig. 17.
Fig. 18., Fig. 19.
Fig. 18., Fig. 19.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 345-351.
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