Oberbaugeräte

[722] Oberbaugeräte und Werkzeuge, besondere Hilfsmittel, welche außer den auch bei Erdarbeiten gebräuchlichen Arbeitsgeräten (wie Schaufeln, Hacken, Brechstangen, Rechen, Winkel, Richtscheiten, Stichmaßen u.s.w.) bei dem Legen und der Unterhaltung des Oberbaues erforderlich sind. Man unterscheidet Geräte und Werkzeuge zum Transportieren und Zurichten der Oberbauteile, Geräte und Werkzeuge zum Legen und Unterhalten des Oberbaues und Geräte zum Messen und Prüfen der richtigen Lage des Oberbaues und seines Verhaltens während des Betriebs. Die wichtigsten dieser Geräte sind folgende:

I. Geräte und Werkzeuge zum Transport und Zurichten der Oberbauteile.

1. Die Schienenzange (Fig. 1), der Schienenheber (Fig. 2, 2a) und die Schienengabel (Fig. 3) zum Tragen der Schienen. Beim Tragen auf der Schulter kommen zu leicht Unfälle vor, da je nach Länge und Gewicht 6–15 Mann für eine Schiene erforderlich sind; auch unterbleibt bei Benutzung dieser Geräte das Abwerfen der Schienen, wodurch diese geschont werden.[722]

2 Der Dexel (Fig. 4) zum Kappen der Schwellen (Anschneiden der Auflagerflächen von einem Zwanzigstel Neigung) war früher beim Neubau ein sehr wichtiges Werkzeug, seit Einführung keilförmiger Platten nur noch selten nötig.

3. Der Schwellenbohrer (Fig. 5) zum Vorbohren der Schraubenlöcher in Holzschwellen und der Nagellöcher in Hartholzschwellen. Bei der Befestigung der Schienen mit Schwellenschrauben müssen sämtliche Schwellen gebohrt werden. Zur Beschleunigung dieser Arbeit verwendet man gegenwärtig beinahe allgemein die Schwellenbohrmaschinen von Surpleß, Dann & Adler, New York (Fig. 6), mit Douglas- oder Irvinbohrern (Fig. 6a) (letztere geben ein glatteres Loch und räumen die Späne besser aus). Die Schraubenlöcher werden auf den Lagerplätzen mit Schablonen auf den Schwellen angezeichnet und gebohrt.

4. Die Bohrknarre oder Bohrrätsche (Fig. 7 und 7a) zum Einbohren von Laschenbolzenlöchern in gekürzte Schienen mit Spitzbohrern, Zentrumsbohrern oder Spiralbohrern (Fig. 8, 8a und 8b).

5. Flach- und Kreuzmeißel samt Hammer, Klinkamboß und Feile zum Kürzen von Schienen durch Abschlagen nach starker Einkerbung der Schiene. Hiebei können Stahlschienen leicht Schaden leiden; das Kürzen geschieht daher besser durch Absägen mit einer Pendelkaltsäge (Fig. 9) oder mit einer Kreissäge, die letztere mit Hand- oder mit Maschinenbetrieb.

6. Schienenbiegemaschinen zum Biegen der Schienen für Krümmungen sind verschiedene gebräuchlich, am verbreitetsten und für Stahlschienen geeignetsten ist der Schrabetzsche Schienenkrümmer (Fig. 10, 10a und 10b).[723]

II. Geräte und Werkzeuge zum Legen und Unterhalten des Oberbaues.

7. Nagelschlegel, ca. 4 kg schwer, mit beiderseits quadratischer Bahn.

8. Hämmer verschiedener Art: Handhämmer ca. 1 kg schwer, Setzhämmer (Fig. 11) zum Aufsetzen auf den Nagelkopf, damit beim Nageln der Schienenkopf nicht getroffen wird, Durchschläge oder Durchtreiber (Fig. 12) zum Durchtreiben abgebrochener Nägel.

9. Schwellenschraubenschlüssel (oder Krückenschlüssel) zum Einschrauben der Schwellenschrauben in die Holzschwellen mit viereckiger Höhlung (Fig. 13) und zum Anziehen der Hakenschrauben bei Eisenschwellenoberbau mit sechseckiger Höhlung.

10. Schraubenschlüssel für Laschenbolzen und Hakenschrauben gewöhnlich zu einem vereinigt (Fig. 14).

11. Stopfhaue oder Hacke (Kramphaue, Fig. 15), 3,5–4 kg schwer, mit stumpfer, breiter Bahn zum Unterstopfen der Schwellen mit Bettungsmaterial. Gewöhnlich auf einer Seite Stopfhaue, auf der andern Spitzhaue (Pickel). In Amerika bedient man sich bei der dort üblichen engen Schwellenteilung der Stopfstange (Fig. 16), auch Schwellenstopfmaschinen sind schon angewendet worden.

12. Der Wucht- oder Hebbaum, auch Gleisheber (Fig. 17), zum Festhalten der Schwellen beim Nageln und zum Heben des Gleises beim Unterstopfen auf die erforderliche Höhe, beim Neubau sowohl als bei der Gleisunterhaltung gebräuchlich. Der Hebbaum wird mit der Spitze unter einer Schwelle oder Schiene angesetzt, unmittelbar daneben, unten an der Abrundung, durch einen Holzklotz möglichst fest unterstützt und am andern Ende abwärts gedrückt, wodurch die Spitze und damit das Gleis gehoben werden kann. Der Hebbaum muß bis zur Vollendung der Arbeit mindestens von einem Mann in seiner Lage festgehalten und bei größerer Hebung mehrmals angesetzt werden; außerdem ist zu seiner Handhabung ein großer freier Raum erforderlich. Besonders aus letzterem Grunde verwendet man bei Gleisunterhaltungsarbeiten auf Stationen und zweigleisigen Strecken, wo die Nebengleise frei gehalten werden füllten, gegenwärtig vielfach andre Vorrichtungen, um die Gleise zu heben. Diese werden dann festgestellt und erst nach Beendigung der Arbeit entfernt. Hierher gehören die Gleisheber von Vojacek, Dunaj u.a., der Gleishebebock von Westmayer ([3] 1885, S. 185), ferner Gleiswinden, wie sie in Frankreich (Gleishebewinde von Freund bei der französischen Ostbahn, Revue générale des chemins de fer 1895) und in Nordamerika[724] gebräuchlich sind. Gegenüber diesen Vorrichtungen hat der Hebbaum den Vorzug der Einfachheit sowie des raschen Einsetzens und noch rascheren Entfernens.

13. Der Geißfuß oder die Nagelklaue (Fig. 18 und 19) zum Ausziehen von Schienennägeln, die deshalb mit Ohren versehen werden (s. Oberbau, Fig. 1416). Der Geißfuß wird mit der Klaue unter den Ohren eingesetzt, an der Abbiegung wie der Hebbaum unterlegt und das obere Ende abwärtsgedrückt, beim langen Geißfuß (Fig. 18) durch Wuchten, beim kurzen (Fig. 19) durch Hammerschläge. Um den Geißfuß anwenden zu können, muß der Kopf des Nagels von hinten her frei sein. Ist das nicht der Fall, so wendet man die Nagelzange an (Fig. 20), die mit ihrer unteren Oeffnung über den Kopf des Nagels geschoben wird, während in der oberen ein Hebbaum eingesetzt wird, mittels dessen die Zange und mit ihr der Nagel gehoben wird. Beim Ausziehen mittels des Geißfußes werden die Nägel besonders an den Ohren meist stark beschädigt. Um dies zu vermeiden, bedient man sich der Patentnagelzange von Vogel-Noot (Fig. 21), mit welcher Nägel auch aus engen Rillen gezogen werden können, wie mit der Nagelzange.

Bei der Bahnunterhaltung hat man außerdem noch Geräte zum Wiederherstellen der winkelrechten Lage der Schienenstöße und der Wärmelücken nach eingetretenem Wandern der Schienen (Bauerscher Schienenrücker [3] 1888, S. 245) und der richtigen Spurweite bei Spurerweiterungen (Spurrichter von Geske [3] 1890, S. 191, und von Altmann).

III. Geräte zum Messen und Prüfen der Lage des Oberbaues.

Neben gewöhnlichen Setzlatten, Wasserwagen, Absehkreuzen (Visierscheiben) sind erforderlich:

14. Spurmaße (Fig. 22), beim Neubau bei Holzquerschwellen- und bei Langschwellenoberbau erforderlich, um die Schienen mit der richtigen Spurweite auf den Schwellen zu befestigen (bei eisernen Querschwellen ist die Spurweite durch die Lochung und die Befestigungsteile bestimmt) und bei den Unterhaltungsarbeiten zur Nachprüfung der Spurweite. Die Spurmaße für letzteren Zweck, also für die Bahnwärter, werden leichter gefertigt als die für Arbeiter beim Neubau bestimmten. Verstellbare Spurmaße mit noch leichterem Gewicht werden bei Streckenprüfungen durch die Bahnmeister und Oberbeamten angewendet. Auch Neigungsmaße (Fig. 23), in der Regel mit dem Spurmaß verbunden, werden benutzt.

15. Richtscheit mit Wasserwage (Fig. 24) zum Prüfen der richtigen Höhenlage und Messen der Schienenüberhöhung.

16. Ueberhöhungsmaße zum Herstellen und Prüfen der richtigen Schienenüberhöhung in verschiedenen Stufen für bestimmte Krümmungshalbmesser (Fig. 25). Dies kann auch durch das in Fig. 24 dargestellte oder durch ein gewöhnliches Richtscheit mit Wasserwage geschehen, indem man entsprechend abgestufte Klötzchen auf die niedrigere Schiene legt.

17. Stoßlückeneisen oder Wärmelückenbleche zum Herstellen der Wärmelücken an den Stößen beim Legen des Oberbaues, etwa 20 mm breite und 120 mm lange Bandeisenstücke, von Millimeter zu Millimeter abgestuft. Sie müssen von außen her in die Stoßlücke so eingelegt werden, daß sie das Befahren des Gleises nicht hindern.

Zum Prüfen des Zustandes des Gleises im Bahnunterhaltungsdienst gibt es eine Reihe von Geräten, bei welchen die Vorrichtungen zum Messen der Spurweite, der Ueberhöhung und der Bahnneigung vereinigt sind. Ebenso sind Vorrichtungen zum Nachprüfen durch Oberbeamte konstruiert, welche beim Befahren der Strecke mit der Draisine die Mängel des Gleises anzeigen, und solche, welche die Mängel auch aufzeichnen (s. [2], S. 314).[725]


Literatur: [1] Eisenbahntechnik der Gegenwart, Bd. 3, 1. Teil, Wiesbaden 1901. – [2] Handbuch der Ingenieurwissenschaften, 5. Teil, Bd. 2. – [3] Organ für Fortschritte des Eisenbahnwesens, unter 5., Bahnoberbau: E. Verlegung und Unterhaltung des Oberbaus, Geräte.

H. Kübler.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 2a., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6 und 6a., Fig. 7., Fig. 7a., Fig. 8., Fig. 8a., Fig. 8b., Fig. 9., Fig. 10., Fig. 10a., Fig. 10b.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 2a., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6 und 6a., Fig. 7., Fig. 7a., Fig. 8., Fig. 8a., Fig. 8b., Fig. 9., Fig. 10., Fig. 10a., Fig. 10b.
Fig. 11., Fig. 12., Fig. 13., Fig. 14.
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Fig. 15., Fig. 16.
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Fig. 17.
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Fig. 18., Fig. 19.
Fig. 18., Fig. 19.
Fig. 20., Fig. 21.
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Fig. 22., Fig. 23., Fig. 24., Fig. 25.
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Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 722-726.
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