Stereotypie [1]

[309] Stereotypie, Verfahren zur Herstellung von Buchdruckplatten nach vorhandenen Letternsätzen oder Klischees durch Abformen einer Matrize und Ausgießen dieser mit Schriftmetall.

Die Erfindung der Stereotypie wird von den einen dem bayrischen Kartographen Philipp Apian (im 16. Jahrhundert) zugeschrieben, während andre als den Erfinder den Edinburger Goldschmied William Ed (1725) betrachten. Die Gipsstereotypie ist heute nur mehr für Sonderfälle im Gebrauch. Hierbei wird die sorgfältig gereinigte, gleichmäßig schwach eingeölte (mit hohem Ausschluß gesetzte, vgl. Buchdruckerkunst) Form in einen eisernen Rahmen befestigt, mit einem Rahmen, dessen innere Kanten von außen oben nach innen unten abgeschrägt sind, überdeckt und mit Gipsbrei ausgegossen. Nach dem Abbinden des Gipses kann die Matrize mittels des Rahmens abgenommen werden. Sie wird nun heiß getrocknet und dann in eine Pfanne, deren Deckel abgeschnittene Ecken besitzt und mit einem Bügel verschließbar ist, gegeben. Die Pfanne wird in flüssigem Metall versenkt, nach einiger Zeit herausgehoben und in einem mit nassem Sand gefüllten Kühlfaß abkühlen gelassen. Die Mater schlägt man von der Metallplatte ab, planiert die Rückseite der Gußtafel und bestoßt sie (s. Bestoßzeug). Die Gipsstereotypie ergibt sehr scharfe, schöne Platten, ist jedoch umständlich und bei manchen Verrichtungen nicht ganz ungefährlich. Deshalb wurde sie in den meisten Betrieben von der Papierstereotypie verdrängt. Hier unterscheidet man, je nachdem ob flache Platten oder runde (für die Rotationsmaschinen, s. Buchdruckerkunst) erhalten werden müssen, eine Flach- und eine Rundstereotypie. Die Formen werden in einem schrifthohen Rahmen[309] (er ist schrifthoch, um ein Verquetschen zu verhindern) mit schrifthohen Stegen (um glatte Ränder zum Auflegen des die Plattendicke bestimmenden Gießwinkels zu erhalten) umgeben, geschlossen, mit Benzin gereinigt und eventuell ganz schwach mit fettem Oel eingerieben. Sehr tiefe Stellen bei scharfen Formenteilen werden mit dünner Pappe ausgelegt, damit die Mater nicht durchgeschlagen werde. Die für die Matrizen benutzte weiche, feuchte Pappe wird durch Kaschieren von Lösch- oder Kupferdruckpapier und mehreren Blättern Seidenpapier mit pastösem, wenig klebrigem Matrizenkleister (z.B. aus gleichen Teilen Schlämmkreide und Roggenmehl, die in kaltem Wasser gerührt und dann geseiht werden, oder aus 20 Teilen China-Clay, 10 Teilen gelbem Dextrin, 1 Teil Borax und 10 Teilen Roggenmehl bestehend) erhalten, oben mit Federweiß oder Graphit abgerieben (um das »Anbacken« an der Form zu verhindern), auf die Form gelegt, mit einem durchfeuchteten Lappen bedeckt und mit einer Bürste in die Form »geklopft«. Hierauf klebt man an den Orten großer Vertiefungen dünne Pappestücke und- über das ganze einen Deckbogen aus Packpapier. Nun wird die Mater entweder auf der Form unter Bedecken mit Filzen und Löschpapier in einer geheizten Presse (Heißstereotypie) oder abgenommen und in einen Rahmen gespannt (Kaltstereotypie) getrocknet. Rascher ist das Verfahren mittels Trockenstereotypie, bei der durchaus fertige, trockene, poröse und elastische Papiertafeln mittels Walzendruck auf einem Stereotypiekalander eingeprägt und damit sofort gußfertige Matrizen erhalten werden. Die eigentümliche, schwammige Beschaffenheit dieser Materntafeln wird dadurch erzielt, daß man schon während der Erzeugung der Pappen die bereits verfilzte Papiermasse (auf dem Formsieb lagernd) zuerst mit Lösungen von kohlensauern Salzen und nachher mit Säuren behandelt, wodurch das in großer Menge frei werdende Kohlensäuregas den Papierfilz beträchtlich auflockert; dieser wird dann luftgetrocknet. Um die starke Abnutzung der Form beim Kalandrieren zu vermeiden, benutzt man neuerdings als Zwischenlage beim Einprägen auf einem endlosen Tuch unter der Kalanderwalze aufgestreutes Korkpulver. Die Matrizen werden bis an die glatten, von den Hochstegen bewirkten Ränder beschnitten, an einer Seite mit einem langen Streifen Papier beklebt (die Gußfahne, die das Fließen des Metalls unter die Matrize verhindert), in die jetzt als Gießinstrument benutzte Trockenpresse (bei der Flachstereotypie) gegeben, der Gießwinkel aufgelegt, der Deckel geschlossen, die Presse aufgerichtet, die Gußkeile (die das seitliche Ausfließen des Metalls unmöglich machen) aufgesetzt und flüssiges Metall reichlich eingegossen. Das Metall wird aus 75 Teilen Weichblei, 22 Teilen Antimon regulus und 3 Teilen Zinn oder auch sehr gut aus 94 Teilen Přibramer Hartblei und 6 Teilen Stangenzinn legiert; bei Bedarf mit einem Stück Fett oder mit Holzkohle und Soda, Borax und Salpeter (2 : 1 : 1) geläutert. Die Platte braucht dann nur mehr bestoßen und aufgestöckelt zu werden. Bei der Rundstereotypie gelangt die Matrize gebogen in das aus zwei ineinander klappenden Halbzylindern bestehende Gießinstrument. Gewöhnlich ist es vorteilhaft, in unmittelbarer Nähe des Gießinstrumentes eine horizontal führbare Kreissäge anzubringen, mit welcher der Anguß der Platte entfernt werden kann, solange die Platte noch im Instrument sich befindet. Mit besonderen maschinellen Vorrichtungen wird die Rundplatte »ausgeglichen«, facettiert und an großen druckstellenfreien Partien ausgefräst. König & Bauer in Würzburg bringen jetzt einen Biegekalander auf den Markt, der Flachplatten durch Biegen in die runde Form bringt. Der kombinierte Hoesche Gießapparat, ferner die Plattengießmaschinen »Citoplate« und »Autoplate« gestatten eine außerordentlich rasche Erzeugung von Rundplatten und sind ausschließlich für die Verwendung in Zeitungsdruckereien bestimmt. Das Einströmen des Metalls erfolgt direkt aus dem Schmelzkessel unter Druck. Das rasche Erstarren wird durch Spülung mit kaltem Wasser erzielt.


Literatur: Isermann, A., Anleitung zur Stereotypengießerei in Gips- und Papiermatrizen, Leipzig 1869; Bock, H., Die Papierstereotypie, Leipzig 1856; Kempe, K., Wegweiser durch die Rund- und Flachstereotypie der Neuzeit, 8. Aufl., Nürnberg 1899; Schelter, J.G., und Giesecke, Anleitung zur Papierstereotypie, Leipzig, Selbstverlag; Camus, A. Gaston, Histoire et procédés du polytypage et de la Stereotypie, Paris 1802 und 1804.

A.W. Unger.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 309-310.
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