Arbeitshäuser

[689] Arbeitshäuser, Anstalten, welche dem Zwecke dienen, ihre Insassen zur Arbeit anzuhalten. Sie können insbes. sein: 1) Anstalten zur Beschäftigung arbeitsfähiger Armen (workhouses im Sinne des englischen Gesetzes von 1834), also Anstalten der öffentlichen Armenpflege, auf dem Gedanken des mittelbaren Arbeitszwanges insofern beruhend, als durch Weigerung der Anspruch auf anderweitige Unterstützung verwirkt wird. Sie sind auch in einzelnen deutschen Ländern, so insbes. im Königreich Sachsen, eingeführt, nehmen aber teilweise auch arbeitsunfähige Arme auf (Armenarbeitshäuser). 2) Anstalten zur Verbüßung der Arbeitshausstrafe, die bis 1871 in zahlreichen deutschen Strafgesetzbüchern (Bayern, Sachsen etc.) sich fand, seither aber beseitigt ist. 3) Anstalten zur Verbüßung der korrektionellen Nachhaft, d.h. einer Freiheitsentziehung mit Arbeitszwang, die sich an die Verbüßung der eigentlichen Strafe anschließt und als Zweck die Erziehung zur Arbeit verfolgt. In dieser Bedeutung findet sich das Arbeitshaus schon im preußischen Allgemeinen Landrecht. Nach dem Reichsstrafgesetzbuch steht das Arbeitshaus in engster Verbindung mit der Überweisung an die Landespolizeibehörde, einer Nebenstrafe, auf die nach § 361, Nr. 3–8, gegen Landstreicher, Bettler und gegen Frauenspersonen, die gewerbsmäßig Unzucht treiben, erkannt werden kann. Die Überweisung kann auch gegen denjenigen ausgesprochen werden, der sich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang dergestalt hingibt, daß er in einen Zustand gerät, in dem zu seinem Unterhalt oder zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, durch Vermittelung der Behörde fremde Hilfe in Anspruch genommen werden muß. Auch wer, wenn er aus öffentlichen Armenmitteln eine Unterstützung empfängt, sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm von der Behörde angewiesene, seinen Kräften angemessene Arbeit zu verrichten, und wer nach Verlust seines bisherigen Unterkommens binnen der ihm von der zuständigen Behörde bestimmten Frist sich kein anderweites Unterkommen verschafft hat und auch nicht nachweisen kann, daß er solches, der von ihm angewandten Bemühungen ungeachtet, nicht vermocht habe, kann durch Richterspruch der Landespolizeibehörde überwiesen werden. Letztere erhält dadurch (§ 362) die Befugnis, die verurteilte Person entweder bis zu 2 Jahren in ein Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu verwenden. Gegen Ausländer kann die Unterbringung in ein Arbeitshaus durch Verweisung aus dem Bundesgebiet ersetzt werden. Ähnliche Bestimmungen finden sich im österreichischen Recht (Gesetze von 1885). Der Verbleib in einer Zwangsarbeitsanstalt darf in Österreich ununterbrochen nicht länger als 3 Jahre dauern. In Italien kann bei Bettlern, Trunkenbolden etc. Verbringung in ein Arbeitshaus an die Stelle der Haftstrafe treten. Die A. als Korrektionsanstalten entstanden zuerst im 16. Jahrh. in Holland und England. In Frankreich wurden im 17. Jahrh. gegen Bettler die hopitaux enfermés (1612 in Paris, 1662 in den Provinzen) und 1767 die maisons de correction (depôts de mendicité) errichtet, die wie die frühern deutschen A. zwischen Gefängnis und Armenarbeitshaus die Mitte hielten. In der Revolutionszeit aufgehoben, wurden sie von Napoleon I. 1808 wieder eingeführt. Das Arbeitshaus, von den Verbrechern viel mehr gefürchtet als selbst das Zuchthaus, würde ausgedehntere Anwendung verdienen und sich insbes. rückfälligen Eigentumsverbrechern, Zuhältern etc. gegenüber empfehlen; dann müßte aber auch zwischen besserungsfähigen und unverbesserlichen Personen anders als bisher unterschieden und letztern gegenüber die Sicherung der Gesellschaft als Hauptzweck in den Vordergrund gestellt werden. Vgl. v. Wintzingeroda-Knorr, Die deutschen A. (Halle 1885); v. Hippel, Die korrektionelle Nachhaft (Freiburg i. Br. 1889). S. auch Art. »Asyl«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 689.
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